Traeum weiter, Mann
in den Hörer, »nice to hear you again.«
Unauffällig beendet er die Verbindung und quatscht weiter mit der imaginären Frau Pederson. Später wird er Burki irgendeine Ausrede auftischen, das geht schon in Ordnung. Als er zu Steff zurückkehrt, lässt die gerade flache Kiesel übers Wasser springen.
»Du glaubst es nicht«, regt er sich künstlich auf, »Jensens Sekretärin sagt, dass Thorben Jensen heute Morgen nach Dubai geflogen ist.«
Steff zieht empört die rechte Augenbraue hoch: »Er hat dich einfach vergessen?«
Diese Aktion zählt nicht zu den Dingen, die er Steff jemals beichten wird, wenn sie zusammengekommen sind.
»Er lässt sich entschuldigen, ein Notfall.«
Steff starrt ihn fragend an. »Und nun?«
»Mach dir keine Sorgen, er bezahlt alles, wie besprochen. Das Hotel kann ich sowieso nicht mehr abbestellen. Wir machen uns einfach eine schöne Zeit auf seine Kosten.«
Steff zögert noch etwas. »Meinst du echt?«
»Seine Sekretärin hat es mir genau so ausrichten lassen.«
Gerald fühlt sich wie befreit. Ab jetzt muss er nicht mehr an der Legende vom Geschäftstreffen basteln und kann sich mit Steff vollkommen frei durch Kopenhagen treiben lassen. Etwas später schlendern sie langsam Richtung Nyhavn, einer der touristischen Höhepunkte in Kopenhagen. An einem schmalen Seitenkanal, der ungefähr einen halben Kilometer lang ist, stehen Jahrhunderte alte Lager- und Wohnhäuser in allen Farben, von gelb bis rot, im Wasser davor sind alte Holzschiffe festgemacht. Gerald und Steff essen erst eine dänische Pizza mit Lachs und Krabben, dann setzen sie sich an den Kai und lassen die Beine baumeln. Um sie herum wuseln Touristen aus aller Welt. Steff steht auf, um Bier aus einem nahe gelegenen Kiosk zu holen, was um sie herum alle machen. Gerald will ihr Geld geben, doch sie winkt ab.
»Du hast schon die Pizza bezahlt, jetzt bin ich dran.«
Fast hätte Gerald erklärt, dass ihr Kunde Jensen die Pizza bezahlt hätte, aber den will er nicht mehr erwähnen. Es dauert bestimmt eine Viertelstunde, bis Steff wiederkommt, er ist schon unruhig geworden. Sie hält nur eine Bierflasche in der Hand, die sie ihm reicht.
»Sag mal, geschäftlich passiert doch nichts mehr, oder?«, erkundigt sie sich.
»Nee.«
»Weil ..., ich habe eben einen Typen getroffen, der hat mich zu einem Rundflug über Kopenhagen eingeladen.«
Gerald wird heiß und kalt zugleich.
»Waas?«
»Der hat noch einen Platz in seiner Maschine, das kostet mich nur 200 Kronen.«
Gerald bekommt einen trockenen Mund, er ist vollkommen unfähig, darauf irgendwie zu reagieren. Steff legt ihre Hand auf seinen Unterarm. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Gerald zwingt sich zu einem Lächeln: »Kein Problem, ich komm’ schon zurecht.«
Sie gibt ihm einen Kuss auf die Wange, der sonst sämtliche Hormone freigesetzt hätte. Aber nun brennt diese Berührung auf seiner Haut wie ätzende Chemie. Steff verschwindet in einem schmalen Gang zwischen zwei alten Häusern. Gerald bleibt stoisch am Kanal sitzen und trinkt sein Bier. Langsam geht die Sonne unter und spiegelt sich in den Fensterscheiben. Er hat überhaupt keine Idee, was er jetzt tun soll. Alle haben jemanden, mit dem sie reden können, man kommt hierher, wenn es einem gut geht, schöner geht es nicht.
Und schrecklicher auch nicht.
Hinter ihm latscht ein deutschsprachiger Reiseführer mit einer großen Gruppe von Touristen vorbei und leiert seinen Text herunter: »Der bekannteste Bewohner von Nyholm war der dänische Schriftsteller Hans Christian Andersen, der ab 1834 für fünf Jahre im Haus Nr. 20 wohnte. Dort schrieb er die Märchen Das Feuerzeug , Der kleine Klaus und der große Klaus und Die Prinzessin auf der Erbse ...«
»Leck mich«, sagt Gerald laut zu sich, springt auf und eilt davon.
Ihm fällt nichts anderes ein als die »Scandic-Weber«-Hotelbar. Er kann zwar keine Gedichte auswendig, aber die Hotelbeschreibung aus dem Internet hat er immer noch wörtlich drauf: »Darüber hinaus besitzt das Hotel einen Innengarten im südländischem Stil und die trendy Loungebar CUBE, die sich auf moderne Cocktails und Tapas spezialisiert hat.« Alkohol ist extrem teuer in Dänemark, aber an der Bar eines Designhotels werden wahre Phantasiepreise verlangt. Dazu kommt Steffs Honorar, ihr Hotelzimmer und der Zug. Es ist alles so erbärmlich. Ihm wird erst jetzt klar, dass er seinen kleinen miesen Maklertricks mehr vertraut hat als sich selbst.
Egal. »One more Scotch.«
Zwei
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