Traeum weiter, Mann
Wintergarten. Die anderen haben alle schon gefrühstückt, sind unterwegs oder sogar abgereist. Auf dem Weg durch die Lobby hat Heiner einen Blick auf den Parkplatz geworfen. Der Landrover ist weg. Dieser elende Schöning ist also nicht da. Sehr gut: Dann hat er Steff für sich alleine, keine weiteren Störungen.
Erwartungsvoll lächelnd blickt Heiner zu der Küchentür, hinter der leises Scheppern zu hören ist. Ob er selbst die Initiative ergreifen und an die Tür klopfen soll? Nein, das könnte ein wenig würdelos aussehen, besser er wartet hier am Tisch.
Er guckt auf den Kompass, dessen Nadel stumm zur Küche zeigt, zu Steff also. Er grinst, wenn das kein Zeichen ist. Auf Schönings Tisch liegt nur eine alte Muschel ohne jede Symbolkraft.
Endlich geht die Tür auf. Aber heraus kommt nicht Steff, sondern ihre Mutter, Frau Schmidt.
»Ah, Herr Deuters, guten Morgen!« Freundlich lächelnd kommt sie auf ihn zu und wischt sich dabei die Hände an einem Handtuch ab.
»Zurück von den Toten?« Sie grinst. »Wie geht es Ihnen denn? Haben Sie immer noch Schmerzen?«
»Nein, alles bestens.«
»Ein Glück. So ein Hexenschuss ist eine schlimme Sache.«
Heiner nickt nur und versucht unauffällig an Frau Schmidt vorbei einen Blick in die Küche zu werfen. Wo steckt denn Steff?
»Ja, auf seinen Rücken muss man gut aufpassen«, ergänzt Frau Schmidt. »Am besten, man macht regelmäßig Sport. Schwimmen ist besonders gut.«
Heiner räuspert sich. »Ihre Tochter hat mir gesagt, sie wüsste ein paar Yoga-Übungen, die auch helfen würden.«
»Ach ja?« Frau Schmidt wirkt überrascht. Weil sie nicht wusste, dass Steff sich mit Yoga auskennt? Oder weil sie keine Ahnung hat, dass er so ein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter hat?
»Ist sie denn heute gar nicht im Haus?«
Frau Schmidt schüttelt nachdenklich den Kopf. »Nein, ist sie nicht. Sie ist vorhin zusammen mit Herrn Schöning nach Kopenhagen gefahren.«
»Nach Kopenhagen?!« Heiner glotzt sie erschüttert an.
»Ja, sie soll für ihn dolmetschen. Herr Schöning kennt da wohl irgendeinen reichen Dänen, der hier ein paar Ferienhäuser kaufen möchte.«
»Ach, Kopenhagen ... das ist ja nett ...«, stammelt Heiner und hofft, dass man ihm nicht ansehen kann, wie schockiert er ist.
»Ja, nicht wahr? Eine Geschäftsreise. Herr Schöning bezahlt sie sogar dafür. Auch die Reise- und Hotelkosten.«
»Was? Heißt das, die beiden kommen erst morgen wieder?« Heiner spürt wieder einen Stich in seinem Rücken.
Frau Schmidt zuckt nur mit den Schultern und nickt. Richtig gefallen scheint ihr diese Tatsache auch nicht.
Für einen Moment ringt Heiner nach Fassung. Dann zwingt er sich mit schier übermenschlicher Kraft zu einem schmalen Lächeln.
»Na, schade, dann frage ich sie morgen eben noch mal.«
»Wollen Sie noch ein Frühstück?«
»Nur einen Kaffee, vielen Dank.« Heiner ist der Appetit vergangen. Frau Schmidt nickt ihm freundlich zu und verschwindet in der Küche. Kaum ist sie durch die Tür, fällt Heiners Gesicht zusammen wie ein aufgeblasener Käsekuchen.
Steff und dieser Wüstling sind zusammen verreist! Den ganzen Tag sitzt und geht sie neben diesem Mistkerl, redet mit ihm, lacht vielleicht sogar mit ihm. Und was sie am Abend und in der Nacht tun, will Heiner sich lieber nicht vorstellen.
Heiner war auch schon ein paarmal in der dänischen Hauptstadt. Er muss an den Tivoli denken, einen parkähnlichen Vergnügungspark voller Blumenwiesen und romantischer Plätze. Ein Schauer läuft Heiner über den Rücken, als er sich an die vielen knutschenden Pärchen erinnert, die sich dort auf den zahllosen Bänken herumtreiben.
Und dann die Innenstadt von Kopenhagen. Er hat noch deutlich die vielen Cafés vor Augen, die bei seinem letzten Besuch voller junger, ausgelassener Pärchen waren.
Und genau dort ist jetzt Steff mit diesem ... diesem Unhold? Heiner ringt nach Atem und versucht, die wild durcheinander fliegenden Gedanken in seinem Kopf zu ordnen.
Eine Geschäftsreise? So wie Schöning über Steff geredet hat, kann sie froh sein, wenn er sie nicht schon in der Fähre zum ersten Mal vergewaltigt hat!
Frau Schmidt stellt ihm ein Kaffeegedeck auf den Tisch. Heiner fragt, ob sie ihm auch noch ein Glas Wasser bringen kann.
Was soll er jetzt nur machen? Ist Steff für ihn verloren? Am schlimmsten ist, dass er überhaupt nichts machen kann. Während die beiden durch Kopenhagen tanzen, hockt er hier hilflos in diesem Nest. Es ist zum Kotzen.
Traurig schaut er
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