Traeum weiter, Mann
übernehmen.«
»Muss das sein?«
Holgi holt tief Luft und zieht eine bedeutsame Miene auf. »Die kommen wieder, da kannst du einen drauf lassen.«
»So’n Aufwand ...«
Gerald will bei Steff sein und sich nicht um irgendwelche Wachfirmen kümmern.
Holgi kratzt sich am Kinn und schwenkt den Scheinwerfer über den zerkratzten Boden.
»Es gäbe da noch eine Möglichkeit ... Thore könnte nachts hier aufpassen.«
»Hast du sie noch alle? Was soll der denn gegen einen Einbrecher ausrichten?«
Holgis gleichaltriger Cousin Thore Lüders ist seit frühester Jugend schwerer Alkoholiker und jenseits von Gut und Böse, der Dorftrottel sozusagen, als Wachmann bringt der gar nichts! Andererseits will Gerald schnell zurück, um mit Deuters zu sprechen, morgen zum Frühstück will er ihn nicht mehr sehen, und bevor er den Bau sich selbst überlässt ...
»Also gut, ich zahle Thore 50 Euro für die Nacht.«
Die er sofort versaufen wird, aber egal.
»Ich rufe ihn gleich an.«
Die beiden gehen langsam zum Ausgang. Es regnet immer noch wie wahnsinnig. Plötzlich fällt Gerald etwas ein, wo er schon mal einen amtlichen Polizisten zu fassen hat.
»Sag’ mal, Holgi, ich bräuchte da mal die Adresse zu einem Kennzeichen.«
Sein alter Schulkumpel grinst über den Scheinwerfer hinweg. »Du und deine Weibergeschichten ...«
Gerald hebt abwehrend die Hände. »Nee, diesmal nicht ...!«
Doch die beiden kennen sich zu lange. Holgi hat schon damals als Polizeischüler für Gerald per Halteranfrage die Adressen von Mädchen in der Disco herausbekommen, dafür zahlte Gerald ihm zwei Whisky-Cola in der Happy Hour.
»Was sonst?«
»Also gut, ja!«
Das gefällt Holgi, er rennt mit Gerald zum Polizei-Golf und lässt sich auf den Beifahrersitz fallen. Eine Hand wäscht die andere, Gerald hat Holgi auch öfter ausgeholfen, was der nicht vergessen hat. Gerald sollte zum Beispiel die leerstehende Villa eines Kunden verkaufen, was sich länger hinzog. Holgi hatte gerade Eheprobleme und wollte mit seiner Frau am Wochenende mal ganz alleine sein, um alles zu klären. Also gab ihm Gerald den Schlüssel für die Villa.
Als er Holgis Frau alleine auf der Dorfstraße sah, wunderte er sich, sagte aber nichts. Es stellte sich heraus, dass Holgi statt mit seiner Frau mit seiner neuen Geliebten an die Ostsee gefahren war. Gerald bekam ein schlechtes Gewissen, aber letztlich ging alles gut aus: Die Geliebte wurde Holgis neue Frau, und seine Ex heiratete den Mathelehrer ihrer beiden Kinder.
Holgi gibt Heiner Deuters Autokennzeichen durch, das Gerald präzise im Kopf hat und ihm diktiert. Nach einer halben Minute stellt Holgi das Funkgerät wieder aus.
»Stehst du jetzt auf Jungs?«, fragt er.
»Und wenn?«
Holgi überlegt keine Sekunde. »Mir egal.«
»Sag schon.«
»Heiner Deuters, wohnhaft in Hamburg, Achternweg 23d«, sagt Holgi.
»Danke.«
»Da nich’ für! Thore kommt in einer halben Stunde. Ich schau später auch noch mal hier vorbei.«
»Super.«
Gerald reicht ihm einen Fünfzig-Euro-Schein für seinen Cousin: »Sag’ ihm, er soll nicht alles auf einmal versaufen.«
Holgi lacht.
Gerald gibt ihm die Hand, steigt aus und hastet im Regen zum Landrover. Er muss seinen Wagen zur Seite fahren, damit Holgi rauskommt. Holgi hupt zweimal und fährt davon.
Gerald überlegt einen Moment.
Dann öffnet er seinen Laptop und geht ins Internet. Das Google-Satellitenbild zeigt unter Deutersʹ Adresse ein Reihenhaus im Hamburger Stadtteil Langenhorn. Als er es gesehen hat, kann er unmöglich in die Pension Möwenwind fahren. Stattdessen tippt er »Achternweg 23d« in sein Navi, die Chance, einen Blick in das Privatleben seines Widersachers zu werfen, ist eine Steilvorlage. Wie könnte er die auslassen?
Auf der Autobahn merkt Gerald, wie verliebt er ist. Das leuchtende Display des Navis kommt ihm warm und heimelig vor wie ein knackendes Kaminfeuer, er fährt auf der fast leeren Piste leichte Schlangenlinien, um das Scheinwerferlicht auf der Fahrbahn tanzen zu lassen. Passend dazu dröhnt ein Uralttitel aus dem Radio: »Because the night belongs to lovers ...« Wenn er Deuters aus dem Weg geräumt hat, bekommen Steff und er endlich den Raum, den sie brauchen, damit sich ihre Liebe entwickeln kann. Das Navi führt ihn Richtung Flughafen, der unmittelbar an den Stadtteil Langenhorn grenzt. Gerald fällt ein, dass ein ehemaliger Bundeskanzler hier mal gewohnt hat. Er wird bereits dunkel. Nach Prominentenviertel sehen die Gebäude in den
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