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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nebe
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Straßen allerdings nicht gerade aus, zwischen simplen Reihenhäusern stehen einige hässliche Hochhäuser. Insgesamt eine Vorort-Randlage, nicht seine Preisklasse als Makler.
    Er parkt den Landrover am Anfang des Achternweg.
    Draußen empfängt ihn ein leichter Nieselregen, was eine deutliche Verbesserung zum Starkregen vorhin darstellt. Es riecht nach nassem Laub, feuchter Erde und ein bisschen nach Hundekacke. Dann steht er vor dem äußersten der vier Rotklinker-Reihenhäuser, an dem ein abgeblättertes Schild die Nummern »23a–d« anzeigt. Ein schmaler Fußweg führt zur 23d. Deuters wohnt im Reihenendhaus, das immer etwas teurer als die anderen ist. Es ist nicht gerade das, was sich Gerald unter dem Domizil eines erfolgreichen Schriftstellers vorgestellt hat: Das Haus ist weder repräsentativ noch eine inspirierende Hexenhütte oder ein abgefahrenes Loft. Eher durchschnittlich, wenn überhaupt. Plötzlich fällt Gerald auf, dass er auf Deuters reingefallen sein könnte, keiner weiß, wie erfolgreich dieser Typ wirklich ist. Vielleicht lebt er von seinem Erbe und schreibt nur nebenbei im Selbstverlag. Den VW-Golf und die Übernachtungen in der Pension muss er nicht unbedingt von seinen Tantiemen bezahlt haben. Vor dem Haus befindet sich der obligate winzige Vorgarten, etwas lieblos eingesetztes, struppiges Immergrün. Daneben parken zwei abgeschlossene Kinderfahrräder. An der Tür klebt ein Emailleschild: »Hier wohnen Sabine, Heiner, Miriam und Felix Deuters.« Daneben ist eine sitzende Katze zu sehen.
    Verheiratet ist er also, das ist ein Hammer! Und Kinder hat er auch! Ein frustrierter Familienvater, der einfach ein bisschen fremdgehen will.
    Deuters ist nicht frei!
    Gerald könnte auf der Stelle tanzen und singen vor Freude, ab jetzt werden die Karten neu gemischt! Vor Steff wird das sein Untergang, das bricht ihm endgültig das Genick. Und wenn nicht, wird er etwas nachhelfen: Entweder steht Deuters zu seiner Sabine, oder er, Gerald, wird dafür sorgen, dass seine Frau alles erfährt.
    Andererseits, was eigentlich? Vage Vermutungen, die Deuters bestreiten wird?
    Auf jeden Fall wird Deuters spätestens morgen erfahren, dass er nun über seine Familie Bescheid weiß, vermutlich genügt das schon. Gerald hätte gerne mehr gesehen, aber von der Vorderfront von Reihenhäusern ist das kaum möglich.
    Also hinten rum.
    Er schleicht sich eine Reihe weiter zur 25 a–d. Von dem Fußweg zu den Häusern dort kann er in das beleuchtete Wohnzimmer von Heiner Deuters schauen. Ein gerahmtes Riesenposter vom nächtlichen Hamburger Hafen ist zu erkennen, in der Ecke steht eine Bücherwand. Sabine Deuters sitzt gerade auf einer riesigen Couch vor dem Fernseher und schaut eine Vorabendserie, vor ihren Füßen spielen zwei Kinder, ein ungefähr 4 Jahre altes Mädchen mit blonden Locken und ein dunkelhaariger Junge im Einschulungsalter.
    Wenn er sich nicht darüber so freuen würde, könnte es ihm richtig wehtun, Deuters, Deuters, Deuters! Seine Frau ist vollkommen anders, als Gerald erwartet hätte, er kommt aus dem Staunen nicht heraus: Sabine ist viel jünger als Deuters, höchstens Anfang Zwanzig, er muss sie als Teeny geschwängert haben. Oder hat er sie aus dem Katalog? Mit ihren hoch liegenden Wangenknochen sieht sie aus wie eine russische Ballerina, ihre dicken schwarzen Haare hat sie zu einer Palme über dem Kopf zusammengebunden. Sie trägt einen weit ausgeschnittenen Pyjama, um ihre Beine hat sie eine Wolldecke geschlungen. Auf dem Teppich steht ein rotes Bobbycar, vor der Bücherwand liegen LEGO-Steine in allen Grundfarben. Vor Sabine steht ein großes, halb leeres Glas, was nach Eistee aussieht, den man im Oktober aber selten trinkt, vermutlich ist es etwas Hochprozentiges.
    Gerald zückt sein Handy und macht ein Foto, dann noch eins. Dann mehr und mehr, er kann gar nicht aufhören.
    »So, Meister, jetzt haben wir dich!«, brüllt ihn eine tiefe Männerstimme von der Seite an. Gleichzeitig hört er einen Hund bellen.
    Gerald dreht sich um.
    Ein bulliger älterer Mann steht mit einem ebenso bulligen und sehr agilen Kampfhund plötzlich neben ihm.
    »Was wollen Sie?«, blafft Gerald geistesgegenwärtig zurück.
    »Scheißspanner!«
    Der Alte zückt sein Handy, wohl um die Polizei anzurufen. Irgendwie scheint alles nach hinten loszugehen, Gerald überlegt nicht lange, der Alte wird ihn nie einholen können, er rennt einfach weg. Doch er hat nicht mit dem Hund gerechnet, der plötzlich zähnefletschend neben ihm

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