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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nebe
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betreten schon das Hotel. Ihm bleibt gerade genug Zeit, um sich zurück in den dunklen Wintergarten zu verdrücken. Nervös kauert er sich in die Ecke und betet, dass er nicht entdeckt wird.
    Umsonst. Frau Schmidt will in die Küche und schaltet auf dem Weg das Licht an. Erschrocken zuckt sie zusammen, als sie Heiner sieht, der jetzt mit betont gleichmütiger Miene an einem Tisch sitzt.
    »Guten Abend«, haucht er verlegen.
    Frau Schmidt nickt nur. Ihr Gesicht verrät nicht, ob sie böse auf Heiner ist. Nur müde sieht sie aus, abgespannt. Sie betrachtet Heiner einen langen Moment, sieht verwirrt auf seine Hausschuhe, nickt ihm mechanisch zu und verschwindet durch die Schwingtür in die Küche.
    Heiner atmet tief durch und will gerade losgehen, als auch Steff um die Ecke schaut.
    »Hallo ...«, krächzt Heiner ertappt und hält die Plastikflasche in seinen Händen so fest, dass sie quietscht.
    Steff mustert ihn mit seltsam lebloser Miene. Oder ist sie traurig? Müde? Was denkt sie? Heiner kann es nicht erkennen. Er krümmt den Rücken, kneift die Augen zusammen wie ein Boxer, der den nächsten Schlag erwartet.
    »Hallo«, sagt sie endlich, ohne das Gesicht zu verziehen.
    »Alles in Ordnung bei dir?«, erkundigt er sich unsicher.
    »Es geht.«
    Heiner lächelt gequält und streckt den Hals, um an ihr vorbei zum Eingang zu sehen.
    »Wo steckt denn der Gerald? Ist er gar nicht mit dir gekommen?«, will er wissen.
    Aber Steff gibt ihm keine Antwort. »Können wir uns mal kurz unterhalten?«, fragt sie stattdessen mit tonloser Stimme. Heiner nickt nervös und setzt sich mit ihr an einen Tisch, in dessen Mitte sich ein kleines Flaschenschiff befindet. Für einen Moment schweigen beide.
    »Hast du auch Kopfschmerzen?«, möchte Heiner wissen.
    »Eigentlich nicht. Ich war mit Gerald bei einer Ärztin. Sie hat mich untersucht. Zuerst wollte sie mich sogar ins Krankenhaus schicken. Aber dann meinte sie, ein bisschen Bettruhe und ein Beruhigungsmittel sollten reichen.«
    Heiner nickt nur und lächelt verschämt. O Gott, denkt er, Steff wäre beinahe ins Krankenhaus gekommen! Nur wegen ihm und seiner Ungeduld. Wenn sie ihm gleich eine scheuert, darf er sich nicht beklagen.
    Steff räuspert sich und fasst sich dabei unwohl an die Stirn.
    »Heiner, ich muss mich bei dir entschuldigen.«
    »Was?«
    »Das mit dem Unfall, dass dein Auto jetzt kaputt ist und du dich am Kopf verletzt hast, das ist alles meine Schuld.«
    Heiner glotzt sie mit großen Augen an.
    Dann erfährt er, dass Steff sich die Verantwortung für die Spannung zwischen ihm und Schöning gibt. Ohne sie wäre es nie zu diesem Autorennen gekommen, davon ist sie fest überzeugt. Nun hat sie ihre Schlüsse daraus gezogen und Schöning gebeten, ihr gegenüber auf Abstand zu bleiben. Sie mag ihn wirklich sehr, will ihm aber nicht die Hoffnung auf mehr machen und bedauert, was für ungehemmte Emotionen sie bei ihm und dadurch auch bei Heiner ausgelöst hat. Sie möchte sich gar nicht vorstellen, was auf dieser Landstraße noch alles hätte passieren können. Was, wenn Heiner schwer verletzt worden wäre? Was, wenn er deshalb seinen Roman nicht zu Ende hätte schreiben können? Steff hätte sich das nie verziehen. Natürlich war Schöning schwer getroffen von ihrer Entscheidung. Aber Steff ist sicher, dass sie richtig gehandelt hat. Anschließend hat sie ihre Mutter angerufen, damit die sie zurück in die Pension bringt. Das Letzte, was sie von Schöning gesehen hat, war, wie er alleine vor der Praxis stand und ihr bedrückt hinterhersah.
    Nun ist sie müde und möchte einfach nur ins Bett.
    Heiner hat Steffs Erzählung fassungslos zugehört. Als sie jetzt ohne ein weiteres Wort aufsteht, ihn noch einmal mit einem traurigen Lächeln ansieht und dann weggeht, blickt er ihr sprachlos hinterher.
    Wie in Trance taumelt er in sein Zimmer zurück, reißt die Fenster auf und saugt die frische, kalte Meeresluft tief in seine Lungen. Für einen langen, glücklichen Moment starrt er in die dunkle Nacht zum fast unsichtbaren Horizont.
    Dann geht er zu seiner Jacke, die er über den Stuhl gehängt hat, holt eine Visitenkarte heraus, greift zu seinem Handy und tippt eine Nummer ein.
    »Herr Holm, hier ist Heiner Deuters. Ich brauche morgen doch kein Taxi. Ich bleibe noch ein bisschen hier.«

20
Kampfhund im Nieselregen

    Am nächsten Tag peitscht Gerald seinen Landrover viel zu schnell über die unübersichtliche, dunkle Landstraße. Er hat sich am Abend zuvor ins Bett gelegt und zwölf

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