Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
nicht von der schmalen Straße abgedrängt zu werden. Im letzten Moment sah sie die kleinen Gesichter, die sie aus dem Rückfenster anstarrten. Die verzweifelten Schreie der Kinder verklangen im Wald.
Sara erstarrte und war für einen Moment wie gelähmt vor Schreck. Die Kinder! Ihre Kleinen, denen sie Sicherheit und ein Heim versprochen hatte, waren in den Händen eines Entführers! Ohne einen Blick auf den Fahrer erhascht zu haben, wusste Sara, dass es sich dabei um die Marionette eines mächtigen Vampirs handelte, eines Ghuls oder auch wandelnden Toten. Der Vampir hatte einen Menschen versklavt und ihn darauf programmiert, ihre Kinder zu entführen und als Köder zu benutzen. Sie hätte es wissen müssen, hätte sich denken müssen, dass er sie entdecken würde. Sara nahm die Verfolgung auf, raste die schmale, holprige Straße entlang und umklammerte das Lenkrad, als ihr Wagen immer wieder aus der Spur zu geraten drohte.
Zwei Stunden später hatte sie die Orientierung verloren und sich hoffnungslos verirrt. Der Ghul, dem offenbar bewusst war, dass sie ihn verfolgte, schlug Wege ein, die eigentlich unbefahrbar waren, und raste in einem Höllentempo durch Haarnadelkurven. Dann wiederum bog er urplötzlich von der Straße ab, um querfeldein zu fahren, und bahnte sich einen Weg durch Wald und Buschwerk. Sara versuchte, an ihm dranzubleiben, nahm mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die scharfen Kurven und donnerte über die vielen Schlaglöcher in den Straßen und rumpelte zwischen Büschen hindurch. Einmal lag direkt vor ihr auf der Straße ein umgestürzter Baum, und sie musste noch tiefer in den Wald hineinfahren, um ihn zu umgehen. Sie war sicher, dass der Ghul die Barriere dort platziert hatte, um ihr die Verfolgung zu erschweren oder sie möglicherweise sogar aufzuhalten. Die Bäume standen so dicht beisammen, dass sie den Lack ihres Wagens zerkratzten. Sara konnte nicht glauben, dass sie den anderen Wagen tatsächlich verloren hatte, denn es gab nicht allzu viele Straßen, auf die der Ghul hätte abbiegen können. Ein paarmal versuchte sie, den Blick auf die Karte auf dem Beifahrersitz zu werfen, aber bei dem furchtbaren Geholper war es unmöglich, etwas darauf zu erkennen. Äste schlugen gegen die Windschutzscheibe, und Zweige brachen mit einem Unheil verkündenden Knacken ab.
Mit schmerzenden Armen und wild klopfendem Herzen schaffte Sara es, den Geländewagen auf einen nur schwer zu erkennenden Weg zurückzulenken, der gerade noch als Straße durchgehen könnte. Er war jedoch sehr schmal und führte an einer tiefen Felsenklamm vorbei, die wie ein großer Riss im Boden aussah. An einigen Stellen waren die Felsen schwarz und verschrammt, als hätte ein Kampf hier stattgefunden. Wieder peitschten Äste und Zweige ihren Wagen, als Sara zwischen den Bäumen hindurch auf die kurvenreiche Straße zujagte. Dort würde sie anhalten und die Karte zurate ziehen müssen, die Falcon ihr gegeben hatte.
Der Gedanke an ihn ließ sofort wieder Trauer in ihr aufsteigen und die Furcht, sie könnte ihn verloren haben, doch Sara versuchte, das Gefühl zu verdrängen, und war froh, dass Falcon sie auf eine solche Möglichkeit vorbereitet hatte. Ein jähes Aufschluchzen entrang sich ihr, und Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen, aber sie wischte sie ab und riss das Steuer herum, als ihr Geländewagen an einer besonders tiefen Spurrille fast von der Straße abkam.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass die Kinder, ihre Kinder, sich in den Händen einer bösartigen Vampir-Marionette befanden. Sara wollte weiterfahren, so schnell sie konnte, weil sie befürchtete, sie nie wieder einholen zu können, falls sie anhielt. Ihr war nur zu gut bewusst, dass es später Nachmittag war und sie kaum noch hoffen konnte, die Kinder zu retten, wenn der Ghul sie erst einmal dem Vampir übergeben hatte.
Sara seufzte leise und verlangsamte nur äußerst widerstrebend die Fahrt, um am Rand der Straße anzuhalten. Ein steiles Kliff fiel unmittelbar zu ihrer Rechten ab. Es kostete sie enorme Selbstbeherrschung, die Karte vor sich auszubreiten. Sie musste nach Orten suchen, wo sie vom Weg abgekommen sein könnte und der Ghul ihr vielleicht entkommen war. Als sie merkte, dass sie vor Kummer kaum noch Luft bekam, riss sie die Tür auf, ließ den Wagen mit laufendem Motor stehen und stürzte in die frische, kühle Luft hinaus.
Falcon , wisperte sie im Geiste sehnsüchtig. Aber dann wischte sie die Tränen ab, holte die Karte aus dem Wagen und
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