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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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verhandeln. Wenn ich an die Traurigkeit in ihrem leeren Haus denke, weiß ich nicht, ob ich das wirklich bedaure. Das Weingut wird schließlich an einen jungen amerikanischen Internetmillionär verkauft. Wir suchen weiter, sehen viele trostlose Weingüter mit vielen depressiven Landwirten. Diese Region ist fast menschenleer, aber die meisten Weingüter liegen direkt an der Hauptverkehrsstraße.
    Â»Beschreibt noch mal genau, was ihr sucht!«, sagt Thierry ein paar Monate später. Aad denkt nach: »Nun ja, ein Haus inmitten von Weinfeldern, ein altes Haus – nicht zu klein und nicht zu groß, nicht an der Straße, nicht zu abgelegen. Eine gute Lage. Im Prinzip so etwas wie Brunet .«
    Â» Brunet?!« , Thierry muss lachen, »das ist doch gerade wieder auf dem Markt!«
    Aad stürzt sich in die schwierigen Verhandlungen mit Madame Ros, der Eigentümerin, während ein Team der Universität von Bordeaux tiefe Löcher auf den Weinfeldern gräbt, um die Qualität des Bodens zu untersuchen. Sie loben die gute Drainage, die Tatsache, dass trotz des trockenen Klimas genügend Feuchtigkeit im Boden ist. Die Lage des Weinguts ist außerordentlich gut, das Haus und der Weinkeller liegen in ihrem eigenen Tal – gut geschützt vor dem harten Nordwind, aber offen zum Süden hin. Das Wort »Mikroklima« fällt, das Team vergleicht die Lage mit der von Mas de Daumas Gassac .
    Â»Diesen Boden habe ich nur einmal geschmeckt«, sagt der begeisterte Wissenschaftler, während er mit der Zungenspitze eine Handvoll Erde berührt, »… Pétrus .«
    Château Pétrus , einer der teuersten Weine der Welt – vielleicht ist diese Aussage für uns das Zünglein an der Waage.
    Wenn wir daheim in Haarlem von unseren Nachbarn eingeladen werden, meine ich zu spüren, dass neben all den Aufmunterungen und der Begeisterung, die uns entgegenschlägt, noch etwas anderes mitschwingt, seit entschieden ist, dass wir tatsächlich weggehen. Bisher waren die Gespräche über die Enge in den Niederlanden und den Ruf der Ferne eine Art gemeinsames Gesellschaftsspiel, an dem jeder mit Begeisterung teilnahm.
    Wir hatten unseren Weintraum, andere träumten davon, nach Nordspanien, Italien oder Neuseeland zu ziehen. Jetzt erst wird mir bewusst, wie hoch der rein spekulative Charakter all dieser Diskussionen tatsächlich war – es ging gar nicht darum, es auch wirklich zu tun. Auf eine kaum spürbare Art bin ich jetzt so etwas wie eine Verräterin, die das gute Leben, das wir alle führen, infrage stellt.
    An dem Wochenende vor unserer Abreise mieten wir einen Raum in einem Restaurant in Haarlem. In dem Industriegebäude aus den Zwanzigerjahren hängt afrikanische Kunst an den Wänden, ein paar spiegelnde Diskokugeln und ein riesiger Mond aus gelbem Karton zieren die Decke. Holztische und Caféhausstühle stehen um eine Bühne, auf der drei Musiker Blues spielen – die Klänge des Saxophons und der E-Gitarre hallen in dem hohen Raum wider. Draußen habe ich eine große Hüpfburg aufstellen lassen, in der Marijn mit ihren Freunden herumtobt, während Fiene auf einem der Fahrräder sitzt, die ich von der Krippe geliehen habe. Im Anhänger fährt eine Freundin mit. Ich gehe wieder hinein, wo Rex mit Michiel spricht und Simone und Tante Carla auf Laartje aufpassen. Alte Kollegen bestellen noch ein Bier an der Bar – ich sehe Freundinnen miteinander lachen, nehme das Gemurmel in mich auf, denke darüber nach, was für nette Leute hier versammelt sind.
    Ich beobachte das alles, doch ein Gedanke, der alles andere verdrängt, ängstigt mich: Sie alle bleiben hier, und wir werden bald nicht mehr da sein.

5
    Â»Ich werde den Augenblick nie vergessen, als ich euch zum ersten Mal gesehen habe«, erzählt Bruno, der einzige Angestellte auf dem Weingut, den Mädchen wieder und wieder. Marijn will ihn unterbrechen, sagen, dass sie die Geschichte schon kennt, doch dann ergibt sie sich in ihr Schicksal und lässt ihn gewähren. »Ich war also gerade damit beschäftigt, in dem Lager im Haus Kartons zu falten«, fährt Bruno fort. »Als ich einen Lastwagen näher kommen hörte, stand ich auf und guckte aus diesem winzigen Fenster vorne. Von dort sehe ich alles genau: den großen weißen Umzugswagen und euch in eurem Auto direkt dahinter. Sobald die Ladeklappe aufging, seid ihr draufgeklettert.

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