Traeume ernten
Fahrer aus, öffnet die groÃen grünen Türen zum Haus und fährt geradewegs hinein.
»Hm, okay Mädels ⦠Ich bringe euch jetzt erst mal in die Schule«, sage ich.
Als ich 20 Minuten später mit Laartje auf dem Arm zurückkomme, werde ich mit kriegsähnlichen Zuständen konfrontiert. Aus den offen stehenden grünen Türen wehen mir weiÃe Staubwolken entgegen, groÃe Haufen Steine von unbestimmter Herkunft und Schutt liegen vor dem Eingang. Ich höre ein donnerndes Geräusch: Etwas schlägt auf den Boden auf. »Nun ja, immerhin haben sie angefangen!«, sagt Aad.
Der Fahrer des Baggers ist ein älterer Marokkaner, der keine Lust zu haben scheint, sich mit uns zu unterhalten. Wir fragen uns, welchen Anweisungen er folgt, doch noch bevor wir dahinterkommen, ist es zwölf Uhr und ein dunkelhäutiger junger Mann in einem weiÃen Peugeot fährt vor. Der ältere Mann steigt bei ihm ein, und weg sind die beiden. Uns lassen sie zurück, und wir verbringen den Rest der Woche mit einem abgestellten Bagger.
Aad ist wieder unterwegs. Das Haus wird jetzt regelmäÃig von Arbeitern bevölkert, deren Kommen und Gehen genauso wenig vorhersehbar ist wie das Wetter in diesem Herbst. Manchmal sehe ich tagelang niemanden, dann fährt plötzlich ein kleiner rostig-weiÃer Bus vor, aus dem ein Haufen staubiger Männer springt. Und es regnet â der Boden rund um das Haus verwandelt sich langsam in ein hellgelbes Meer aus klebrigem Schlamm. Zum ersten Mal realisiere ich, was es bedeutet, keine einzige befestigte Zufahrt zu haben. Das schwere Material der Bauarbeiter hat auch das letzte Steinchen auf dem Kiesweg tief in den Boden gedrückt. Die kleine Treppe, die zum Haus führt, ist so glatt, dass ich mich kaum mit Laartje nach unten traue. Der Nieselregen hält tage- und wochenlang an. Ich werde verrückt, weil ich nicht nach drauÃen kann, und gehe dann doch mit Laartje in den Supermarkt â wo soll man auch hin mit einem Baby, wenn man keine Freundinnen hat? Ich rufe Aad auf der Arbeit an. »Ach, das wird schon wieder trocken«, sagt er, »das ist gut für den Wein.« Er hat ja recht, ich sollte nicht jammern.
An diesem Vormittag sitze ich mit Laartje am Tisch. Ich reiche ihr bunte Holzringe, die sie über einen Ständer schiebt oder lachend auf den Boden schmeiÃt â zum 30. Mal hebe ich sie auf. Hinter den dünnen Gipswänden ertönt das schwere Dröhnen der groÃangelegten Abbrucharbeiten â Zeit für eine Kaffeepause. Mit einem Tablett voller Tassen gehe ich auf die auflodernden Staubwolken zu, die aus der Türöffnung quellen, und rufe die Männer. Es ist eine neue Truppe, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Erstaunt stellen sie ihre Vorschlaghämmer ab, klopfen sich die weiÃe Schicht von Gesicht und Kleidern, und einer der Männer zeigt auf seine groÃe blaue Thermoskanne. »On a tout ce quâil faut« , sagt er â die niederländische Untergrenze an Höflichkeit sieht er offensichtlich als unerwünschte Störung an.
Aber so wie ich da stehe mit meinem dampfenden Kaffee können sie nicht anders. Vorsichtig nimmt der Ãlteste von ihnen, ein kleiner dunkelhäutiger Mann mit einem groÃen Schnurrbart, eine Tasse vom Tablett. Misstrauisch sucht er sich einen Keks aus, den er erst nach kurzem Zögern in den Mund steckt â vielleicht aus Angst davor, vergiftet zu werden oder aus Loyalität gegenüber seiner Frau, die genau jetzt sicher bessere Kekse für ihn backt. Alle Männer sind von nordafrikanischer Abstammung, und allein meine Anwesenheit scheint sie maÃlos zu verunsichern. Ein Gespräch liegt auÃerhalb der denkbaren Möglichkeiten. Ich warte, bis die Tassen leer sind, sammele sie schnell wieder ein und ziehe mich zurück in die Herberge.
Während ich darauf warte, dass der Schlamm rund ums Haus ein wenig trocknet, habe ich Zeit, mir höchst interessante Fragen wie diese zu stellen: »Warum liegt überall im Haus Staub, obwohl die Abbrucharbeiten im Raum nebenan stattfinden? Ich zeichne mit Laartje Gesichter in den Staub, der sich auf dem Tisch und den Fensterbänken abgesetzt hat. Erst dann wische ich ihn weg. »Nicht weinen, Schatz«, sage ich, »morgen ist hier eine hübsche neue Schicht!«
Die Weihnachtstage nähern sich â zum ersten Mal seit unserem Umzug werde ich in die Niederlande
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