Traeume ernten
décidé , Sie scheinen fest entschlossen zu sein.«
Sie öffnet einen groÃen grauen Aktenschrank und stellt routiniert Formulare von einem Dutzend Stapel zusammen. »Wenn Sie diese Formulare bitte ausfüllen würden, werden wir uns um Ihren Antrag kümmern«, sagt sie, »die Ausbildung beginnt Mitte Januar.«
Im Weinkeller stagnieren die allmählich abnehmenden Zahlenfolgen, die den Zuckergehalt pro Liter Wein angeben, schon seit einiger Zeit: 997, 995, weniger ist kaum möglich, der Beweis dafür, dass die erste Gärung abgeschlossen ist.
Rex und Anneke kommen uns für eine Woche besuchen. Zusammen mit Rex leert Aad die Fässer, ich sehe die ersten Flecken Rotwein auf dem schneeweiÃen Plastik der neuen Presse. Ich genieÃe es, die beiden Männer zusammen arbeiten zu sehen, zufrieden gehe ich in die Küche, um eine kräftige Mahlzeit vorzubereiten. So muss es sein.
Eine Woche später ist alles anders. Eine graue Wolkendecke hat sich vor die Sonne geschoben. Aad, Rex und Anneke sind wieder in den Niederlanden, die Mädchen sind in der Schule, und ich bin alleine mit Laartje in der Herberge. Der einzige Erwachsene, mit dem ich noch rede, ist Bruno. Jeden Morgen um zehn Uhr gieÃe ich ihm Kaffee in dieselben hellgrünen Becher, aus denen einst Miriam und Annemiek, meine beiden Freundinnen aus Haarlem, getrunken haben, und höre mir seine Geschichten über das Wetter, die Weingärten und den Hund des Nachbarn an.
Heute kommt zum ersten Mal jemand anderes die Treppe hinunter, es ist Monsieur Samper, der Architekt, der den Umbau des Hauses leiten soll. Er ist Mitte 50, tut aber alles dafür, jünger zu wirken in seiner schwarzen Lederjacke und dem tiefergelegten Alfa Romeo, der sich beinahe auf den Steinen in der Auffahrt festfährt. Mit einem kleinen kichernden Lachen, das keine besondere Funktion zu erfüllen scheint, setzt er sich an den Tisch vor dem Haus. Er holt ein paar Papiere aus seiner Tasche, breitet sie aus und beginnt zu reden.
Zum ersten Mal bin ich mit Monsieur Samper alleine, und erst jetzt fällt mir auf, dass er einen noch stärkeren Akzent hat als der durchschnittliche Winzer vor Ort. Die eine Hälfte seiner Worte scheint auf -ing oder -ang zu enden, die andere Hälfte bleibt wie ein sanft brodelnder Wortbrei irgendwo in seinem Mund hängen. Wie eine ältere Dame mit Hörproblemen beuge ich mich zu ihm vor, in der unbegründeten Erwartung, dass die Worte aus der Nähe doch noch ihre Bedeutung preisgeben. Immer wieder höre ich mich sagen: »Pardon? Excusez-moi?«
Seufzend und mit einem leichten Kopfschütteln wiederholt er den Satz, jetzt etwas langsamer. Ich beobachte seine wachsende Verärgerung â sie versteht aber auch wirklich nichts â und kann es kaum ertragen, die ein wenig beschränkte Ausländerin zu geben. 15 verzweifelt schwierige Minuten später habe ich es endlich verstanden: Alle Aufträge sind erteilt, die Arbeiten können in Kürze beginnen. »Schön«, sage ich, »wann genau?«
»Das sehen Sie dann schon«, antwortet er und verschwindet, ein roter Blitz auf der Auffahrt.
Aad ist in dieser Woche früher nach Hause gekommen. Schon am Freitagmorgen sitzt er bei uns am Tisch. Es ist Ende Oktober, aber noch immer warm genug, um drauÃen frühstücken zu können.
In der Stille, in der man nur die Kinder schnattern hört, taucht weit entfernt ein tiefes, ungewöhnliches Geräusch auf. »Was ist das, Mama?« Marijn hat es auch vernommen: ein anschwellendes Gebrumm, das langsam in unsere Richtung kommt. Aad stellt seinen Kaffee auf den Tisch und läuft zögernd die Treppe hinauf, während ich die Mädchen zurückhalte, die auch aufspringen wollen: »Ihr esst erst eure Brote, sonst kommen wir zu spät in die Schule.«
Das Geräusch nähert sich immer schneller, und als Aad zurückkehrt, steht ihm die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Ein riesiger gelber Bagger voll rostiger Beulen folgt ihm auf dem FuÃ. Und ohne anzuhalten, fährt die Maschine direkt auf unser Haus zu. »Zur Seite«, gebietet der Fahrer der Familie am Frühstückstisch. Ich ziehe Laartje im Kinderstuhl hinter die schützenden Bäume, schiebe ein paar Stühle zur Seite und bringe das Frühstücksservice in Sicherheit. Laut knirscht der Kies, als sich der Bagger am Frühstückstisch vorbeischiebt. Dann steigt der
Weitere Kostenlose Bücher