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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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deutlicher: »Ich möchte, dass Sie es neu machen.«
    Ich ärgere mich über meine Nachgiebigkeit. Warum weiß ich nicht genau, ob ich recht habe? Samper zögert kurz. Dann dreht er sich zu den Männern um, und während er halb auf der untersten Stufe kniet, beginnt er eine heftige Diskussion mit ihnen, in der sie sich gegenseitig die Zentimeter um die Ohren hauen. Ich nehme an, dass ich irgendwie doch recht hatte.
    Es ist schon dunkel, als ich das kleine Haus betrete. Ich setze Wasser für Pasta auf, schneide zwei große Stücke Brokkoli in kleine Röschen und lege sie in den Dampfgarer darüber. Ein paar Soja-Burger kommen in die Bratpfanne daneben, und voilà , die Basis für eine gesunde Mahlzeit ist gelegt. In den zehn Minuten, die das Essen zum Kochen braucht, stecke ich Laartje in die Badewanne und die Mädchen in die Schlafanzüge. Schließlich stelle ich die Teller auf das niedrige Tischchen vor dem Fernseher, schiebe einen annehmbaren französischen Kinderfilm in den DVD -Spieler. »Barbapapa« heißt er, sehr gut, so arbeiten die Mädchen an ihrem Französisch, und ihre Mutter kann derweil kurzweilige Gespräche führen. Außerdem wartet noch ein Stapel Bürokram auf den späteren Abend.
    Sieben Stunden Unterricht am Tag sind viel, und ich merke, dass all die alten Fluchtmechanismen noch so lebendig sind wie an meinem 15. Geburtstag. Da braucht nur eine langweilige Person mit einer schlechten Geschichte vor der Klasse zu stehen, und sofort muss ich gegen den physischen Zwang ankämpfen, aufzustehen und wegzulaufen. Ich schaue aus dem Fenster, betrachte dann einen Riss in der Wand, eine Fluse auf dem Pullover des Dozenten, die derben Arbeitsschuhe eines Bauernsohnes, die neben mir unter dem Tisch unruhig hin und her geschoben werden. Ich versuche angestrengt, an meine Yoga-Stunden zu denken. Ich bin hier, denke ich, in diesem Raum. Auch wenn eine Menge Verwaltungsarbeit auf mich wartet, in diesem Moment kann ich sie nicht erledigen. Ich kann nichts tun, ich muss nichts tun – wenn ich sitze, dann sitze ich. Manchmal hilft diese Technik. Kurz.
    Ein Teil der Ausbildung macht mir Spaß, vor allem der Unterricht in Weinbau, viticulture , bei Domergue, und auch agronomie , Agrarwissenschaften, und pédologie , Bodenkunde, finde ich sehr interessant.
    Es ist auf eine unerwartete Art erfrischend, in Themen einzutauchen, von denen ich vorher rein gar nichts verstanden habe. Alles Wissen, dass man vorher in seinem Leben erworben hat, der Name, den man sich gemacht hat, der Status, nichts spielt noch eine Rolle. Auf einmal ist man wieder ein bescheidener, unwissender Novize, der noch mal von vorne beginnt. Alles ist anders, neu und jung.
    Zwei Leben für den Preis von einem, denke ich.
    Auf festen Wanderschuhen und in einer dicken Jacke laufe ich durch die kahlen Weinberge. Der Winzersohn neben mir hat die Hände tief in seinen Taschen vergraben. Er redet nicht, schaut stur nach vorn, seine zielgerichteten Schritte sind so lang wie der Abstand zwischen den Rebstöcken. Dann gelingt es mir, eine Minute lang mit ihm zu reden:
    Â»Ã‡a avance bien, la taille chez toi?«
    Â»Ouais, pas mal, et toi?«
    Â»Pas mal.«
    Â»Bon.«
    Schweigend gehen wir weiter, alles ist gut, die anderen sprechen auch nicht miteinander. Wir teilen die gleiche Stille, die auch eine Bootsbesatzung erleben kann.
    Als wir oben auf dem Hügel ankommen, haben wir plötzlich eine unendlich weite Aussicht. Das helle Winterlicht trägt den Blick weit über das sanft abfallende Meer aus Weinfeldern und dunklen Pinienwäldern. Ich frage mich, ob die Männer noch sehen, wie umwerfend schön es hier ist.
    Am Rande der Parzelle steht das Ziel unseres Ausflugs, ein großer Bagger, neben einem Graben, ungefähr drei Meter lang und zwei Meter tief – die Sorte von Gräben, in denen in Filmen Leichen verschwinden. Wir aber drängeln uns am Rand des Grabens und rufen Sätze wie »ah, bien marqués les horizons« und »je dirai plutôt argileux, moi« . Wir nehmen unsere Notizblöcke zur Hand und gehen systematisch vor: Erst schauen wir uns um, la situation générale – wie ist die Parzelle? Groß? Klein? Ist sie von Bäumen oder von den für die Gegend typischen Sträuchern umgeben? Findet sich in der Nähe Wasser? Wächst Schilf? Gibt es Verschiebungen im Boden? Was fällt uns noch auf? Dann die Topographie,

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