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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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mich auf einen Traktor setze?«, ruft Aad.
    Â»Aber warum hast du uns denn dann hierhergeschleppt?«
    Â»Ich habe dich doch gefragt, ob du zurückkehrst!«, sagt Aad.
    Â»Ich will nicht zurück!«, wiederhole ich zum hundertsten Mal. Ganz kurz, irgendwo in den Tiefen meines Bewusstseins, blitzt die Erkenntnis auf, wie weitreichend die Entscheidung ist, die ich gerade treffe. Will ich wirklich nicht zurück, frage ich mich, oder will ich nur meine Grundsätze nicht verraten, will ich recht behalten, geht es um den Konkurrenzkampf zwischen uns beiden? Dann steigt eine ohnmächtige Wut in mir auf, die alles andere hinwegfegt.
    Â»Kann ich ein Brot mit fromage ?«, fragt Laartje. Sie steht auf einem Schemel neben mir an der Arbeitsplatte in der Küche und blickt zu der Katze hinüber, die in einem Lichtstrahl auf den Fliesen sitzt. »Ach Mama, schau mal, wie niedlich Bertus sein Maul lechiert .« Sie springt von ihrem Schemel herunter, geht zu dem Kater, um ihn zu streicheln: »Du willst des caresses , was? Ja, die willst du, stimmt’s?«
    Vor dem Fenster erscheint Brunos erhitzter Kopf. »J’ai des nouvelles!« , ruft er aufgeregt, als ich ihm die Tür öffne. Er scheint vor Vorfreude beinahe zu explodieren, zieht sich einen Stuhl vom Tisch herüber, um mir dann die wertvollen Perlen an Information anzubieten, die er mitgebracht hat. »Ein Verrückter wohnt im Häuschen neben dem Carignan!«, sagt er. »Monsieur Lampilas hat ihn gesehen!«
    Meine Begegnung mit dem Auge ist schon Wochen her – jetzt stellt sich heraus, dass es tatsächlich zu einem Menschen gehört. »Es ist ein sehr großer Mann«, sagt Bruno mit der satten heimlichen Begeisterung einer Oma, die ihren Enkeln ein erstes Geschenk auf den Tisch legt. »Er lebt wie ein Tier«, legt er noch ein zweites dazu – und dann das schönste zum Schluss: »Er wäscht sich völlig nackt im kalten Bach!«
    Â»Ah bon?« , sage ich neugierig. Wir sollten uns den Carignan noch einmal genauer ansehen.
    Der Himmel ist immer noch blau, aber am Ende des Tages wird es inzwischen schnell kalt. Simone ist wieder da. Zusammen sitzen wir in einem kleinen Büro, wo wir einem Mann im aufdringlich glitzernden Jackett dabei zusehen, wie er Formulare sortiert, drei Kugelschreiber in einem krankhaft identischen Abstand voneinander platziert und schließlich einen eindeutigen Blick auf die Tür wirft, durch sie mögen wir bitte wieder verschwinden. »Unter 150 000 Euro kann ich selbstverständlich nichts für Sie tun«, sagt er noch einmal, während er die farbige Broschüre mit Traumhäusern wieder an sich reißt.
    Ich will mich gerade aufregen, aber Simone ist schneller – mit dem freundlich-herablassenden Lächeln, das sie bei dieser Art Begebenheiten einsetzt, verabschiedet sie sich von dem Mann und geht dann ruhig hinaus. »Pff«, sagt sie, »Makler gibt es wie Sand am Meer.«
    In dieser Nacht friert es, aber mittags essen wir mit den Kindern immer noch draußen an dem großen schwarzen Tisch, um danach den schmalen Weg hinter dem Haus hinaufzugehen.
    Â»Die große Runde!«, rufen die Mädchen. Ich denke kurz nach. Die große Runde führt an dem Olivenhain entlang zum Fluss und somit unvermeidlich an dem Haus des Mannes vorbei, von dem Bruno erzählt hat. Aber ich habe Lust auf die Runde, ich bin neugierig und endlich nicht alleine. Ich erzähle Simone und den Mädchen von dem Mann, erwähne, dass wir ihm vielleicht begegnen könnten. Ein wenig beunruhigt überqueren wir die Brücke, über die wir schon hunderte Male gegangen sind, aber diesmal scheint alles anders zu sein. Die Anwesenheit von etwas, das hier vorher nicht war, lastet schwer, beinahe greifbar auf uns. Als wir weitergehen, bemerken wir, dass das gesamte Stück Land mit einem weißen Band umzäunt ist. »Das ist sonderbar«, sage ich zu den Mädchen, »der Weingarten nebenan gehört mir, warum sollte ich ihn einzäunen?«
    Simone beginnt ein fröhliches Gespräch in einer großzügigen Lautstärke, sie redet über Indianer, glaube ich, wir sind jetzt auf der Höhe des Häuschens. Auf einmal öffnet sich die Holztür – wie der Blitz springt jemand nach draußen. Bruno hat nicht übertrieben, es ist tatsächlich ein großer Mann. Er trägt einen rot-grauen Ski-Anzug voller Matschflecken, sein

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