Traeume ernten
seinem Verhalten erinnert mich an Aaron, meinen Nachbarn im Studentenwohnheim in den Niederlanden. Ein Psychiatrie-Patient, der ziemlich durcheinander war und dem jeder aus dem Weg ging. Und genau das war der Grund, weshalb ich ihm immer wieder mal eine Tasse Kaffee anbot und ein wenig mit ihm plauderte, mit dem Ergebnis, dass er eines Nachts an meinem Bett stand. Ihm troff der Speichel aus dem Mund und lief in den Pelz seiner afghanischen Jacke. Während Aaron die Hände nach meiner Kehle ausstreckte, äuÃerte er die sympathischen Worte: »Du machst mich verrückt mit deinem Körper. Du bist eine Frau. Du musst getötet werden.«
Sein Psychiater reagierte gelassen: »Sie haben keine Schnittverletzungen? Gut, dann war es dieses Mal nicht so schlimm.« Eine Erfahrung, die dazu geführt hat, dass ich mein Konzept von Gastfreundschaft immer mal wieder überdenke.
»Es tut mir leid«, sage ich also zu dem Mann vor meiner Tür, »ich habe drei Kinder, meine Mutter schläft hier, alle Betten sind belegt.« »Aber der Weinkeller?«, fragt er.
Das will ich auch nicht. Dort sind meine Weine, mein Einkommen, ich möchte nicht, dass er sich dort aufhält. AuÃerdem glaube ich, dass ich ihn nie wieder loswerde, wenn ich jetzt ja sage. »Dort ist es genauso kalt wie in Ihrem Häuschen, das hat keinen Sinn«, sage ich also und fühle mich schlecht und wenig gastfreundlich, wie der Wirt, der Josef und Maria die Tür weist. Ich nehme eine Flasche Wein aus dem Schrank hinter mir, gebe sie dem Mann. »Hier«, sage ich, »das wird Sie wärmen.«
Solange es friert, schicke ich Bruno regelmäÃig zum Häuschen, damit ich zumindest sicher sein kann, dass der Mann noch lebt.
Die Wochenenden sind inzwischen eine echte Strafe. Ich hatte gehofft, dass Aads Pläne sich von selbst wieder in Luft auflösen würden, dass diese Werbeagentur nicht mehr als ein flüchtiger Gedanke sein würde. Stattdessen spricht er inzwischen über die Partner, mit denen er zusammenarbeiten will, und über die Büroraume, nach denen er sucht. Jedes Gespräch stürzt mich in eine gröÃere Panik, ich bekomme kaum noch Luft, während ich hinter einem Boot her strampele, das immer weiter von mir wegtreibt.
»Wir finden euch überhaupt nicht nett zusammen«, sagen Marijn und Fiene, als sie uns wieder einmal streitend in der Küche antreffen. Ich gehe mit Aad nach drauÃen, über den Sandweg, am Feld mit dem Mourvèdre entlang. »Ich möchte doch nur, dass du hier bei uns wohnst!«, rufe ich verzweifelt. Ich setze mich an den Wegesrand, meine Worte sind nichts weiter als nasser Schnee, der keine Sekunde liegen bleibt.
»Für mich ist das völlig klar«, sagt mein Bruder Michiel, als ich ihm später die Situation schildere, »wenn du ihn wirklich lieben würdest, würdest du um seinetwillen zurückgehen. Wenn er dich wirklich lieben würde, würde er dich nicht alleine lassen.«
Sofort fange ich an, mich zu verteidigen, aber dann überrasche ich mich bei dem Gedanken, dass er möglicherweise recht hat.
Vielleicht ist Aads und meine Eigenliebe gröÃer als unsere Liebe zueinander, vielleicht lieben wir unsere eigenen Träume, unsere eigenen Leben mehr, als wir uns gegenseitig lieben.
Funktioniert das, was wir Liebe nennen, vielleicht nur, wenn wir in dieselbe Richtung gehen?
16
Auf den Weinfeldern zeigen sich die ersten Blätter, langsam wird es immer wärmer. Die Mädchen liegen noch im Bett, ich gehe in Hemd und Unterhose nach unten, um Kaffee zu machen. Ohne nachzudenken öffne ich die Tür, trete einen Schritt hinaus und blicke in das groÃe, runde Gesicht von Bruno. Sein Blick gleitet über meinen Körper. »Bruno! Was machst du denn hier?«, frage ich, während ich eine Jacke von der Garderobe nehme.
»Bof, rien« , sagt er, wobei er übertrieben lacht, »ich wollte nur etwas für Sie tun, einen leckeren Kaffee kochen vielleicht.« »Du brauchst wirklich nichts für mich zu tun!«, sage ich. »Und gib mir bitte den Haustürschlüssel zurück!«
Vom Fenster aus beobachte ich, wie der dicke Junge zu seinem Traktor zurückschlurft.
»Ich habe ein Haus gefunden!«, sagt Simone am nächsten Tag. Nach einer enttäuschenden Tour von Makler zu Makler hat sie ein eigenes Jagdgebiet in der örtlichen Kneipenszene aufgetan. Das »Café de la
Weitere Kostenlose Bücher