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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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von dem Verkaufsraum aus dem 18. Jahrhundert mit seinem glänzenden Holzfußboden zu den Kellerräumen, wo ich hinter Metallgittern staubige Flaschen stehen sehe, auf denen ich Jahreszahlen wie »1904« oder »1876« entziffere. Ich höre das entfernte, hohe Lachen einer Frau. »Im großen Saal findet ein Essen statt«, erläutert Simon.
    Nach unten können wir auch nicht, in dem Gewölbekeller mit den modernen Holztischen wird eine Weinprobe abgehalten. Er lässt mich kurz durch den Türspalt hineinschauen, und ich sehe eine große Gesellschaft überwiegend junger, modisch gekleideter Leute, die große Weingläser vor ihre Nasen halten. Später werde ich erfahren, dass »Berry Bros.« schon zum sechsten Mal zum besten Internet-Weinhandel gewählt wurde.
    Im Moment jedoch schwelge ich im Traditionellen. Wir kommen an weiteren staubigen Flaschen vorbei, um dann eine kleine Treppe hinaufzugehen. Sie mündet in einen Absatz mit einem abgenutzten Belag aus dunklem Eichenholz. »Ich schlage vor, dass wir jetzt den Wein probieren«, sagt Simon, während er die Tür zu einem hellen Zimmer mit hohen Fenstern und einer hellgrünen Vertäfelung öffnet.
    Entlang der Wand stehen einige angebrochene Flaschen Wein aus einem großen Burgunder-Haus. Es gibt eingebaute Spuckbecken und Glasinstrumente wie aus dem Labor. Erst nach einem kurzen Moment entdecke ich, was sich in der Mitte des Zimmers befindet: Auf einem barock anmutenden Sockel aus farbigem Holz stehen wie Objekte in einem Museum drei Flaschen. Kurz raubt es mir den Atem, sie hier so zu sehen: Es sind La Dame 2005 , La Diva 2004 und der Blanc 2007 , die ich bei meiner Ankunft der Dame im Kostüm übergeben hatte.
    Simon reicht mir ein Glas und öffnet die drei Flaschen sorgfältig. Lass sie gut sein, denke ich insgeheim, bitte! Kein Korken, kein seltsamer Geschmack, nicht hier, nicht jetzt. Wir fangen mit dem Weißen an. Ich bewege den Wein vorsichtig im Glas und stecke fast ängstlich die Nase hinein. Frisch. Blumig. Ein leichter Geruch von Fenchel. Genauso, wie er sein sollte.
    Â»Welch schöner, purer Wein«, sagt Simon, » nice minerality . Originell.« Wir gehen über zum roten La Dame . Er ist phantastisch.
    In dem Raum mit der Holzvertäfelung flackert der elektrische Kamin noch immer fleißig. Es ist inzwischen neun Uhr, aber Simon setzt sich entspannt in einen Sessel, um die Unterlagen durchzusehen, die ich mitgebracht habe. »Sie haben mich überrascht«, sagt er, »ich muss sagen, dass mich der erste Rotwein besonders interessiert. Wie viele Flaschen haben Sie davon noch auf Lager?«
    Ich blättere in meinem schwarzen Moleskine-Büchlein, in dem ich glücklicherweise noch im letzten Moment die Zahlen aus dem Vorratsregister notiert hatte. »Nicht mehr viel«, muss ich zugeben, »noch zwei Paletten, und dann gehe ich zum 2006er über.«
    Â»Dann möchte ich die letzten zwei Paletten gerne von Ihnen übernehmen«, sagt Simon, »melden Sie sich, sobald Sie wieder in Frankreich sind.«
    Es ist schon fast zehn Uhr, als ich endlich mein inzwischen ein wenig leichteres Köfferchen von der Hammersmith Station zum Haus von Rosemary George schleppe. Sie wohnt in einer Straße mit Backsteinhäusern vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit vielen Erkern, weißgestrichenem Holz und kleinen Gärten vor jedem Gebäude. Der Vorgarten von Rosemary ist gepflastert, um einem kleinen weißen Peugeot Platz zu bieten. Als die Tür sich öffnet, kommt die britische Gastfreundschaft zu ihrer Entfaltung: »Lidewij! You’re here! How lovely to see you! Please come in! «
    Hinter Rosemary erscheint ihr Mann Christopher, der bereits beide Hände zu einer theatralischen Begrüßungsgeste erhoben hat: »Lovely, lovely. Welcome!« – für eine müde Reisende eine schöne Art, begrüßt zu werden. Zufrieden folge ich ih nen ins Wohnzimmer, wo ich in einem unscheinbaren Sessel aus hellblauem Samt zusammenbreche, der auf Laartjes Größe zugeschnitten zu sein scheint und unerwarteterweise schaukeln kann. Das Zimmer riecht nach Opas und Omas Haus, nach damals. Ich gebe den beiden Geschenke, zwei bleischwere Bücher, ja richtig, die waren auch noch in meinem Koffer.
    Â»Wie war es bei Simon?«, fragt Rosemary später in der Küche. »Sehr gut«, sage ich zufrieden, »er hat zwei Paletten bei mir

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