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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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anzufordern, sobald die Schiffe nach England zurückkehren. Die Kapitäne der Schiffe und ihre Ärzte werden angeklagt, weil sie die ihnen anbefohlenen Sträflinge aufs Gröbste vernachlässigt haben.«
    Billy schaute über den Hafen hinweg aufs offene Meer hinaus. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Gilbert sein Wort halten würde, denn er war ein Ehrenmann. Doch er vermutete, eine Gerichtsverhandlung werde nicht stattfinden und die meisten Täter würden einfach verschwinden, bevor man sie zwingen konnte, für ihre Missetaten geradezustehen.

Fünfzehn
    Sydney Cove, November 1790
    E
zra fiel es schwer, seine Predigt zu schreiben; die rechten Worte wollten ihm nicht einfallen, und seine Gedanken erlaubten ihm nicht, sich zu konzentrieren. Der robuste Tisch und die Bank waren vor das Haus auf eine Graskuppe über dem Wasser gestellt worden. Eine Brise ließ die Papiere auf dem Tisch flattern und blätterte die Bibelseiten um, als wollte sie ihn an seine Aufgabe erinnern.
    In Gedanken war er bei Susan. Trotz ihrer Charakterstärke, die sie in diesen vergangenen zweieinhalb Jahren voller Mühsal bewiesen hatte, war er kühl, höflich, ja beinahe abweisend zu ihr gewesen. Unermüdlich hatte sie ihre Arbeit bei den Kranken und Sterbenden verrichtet, und obwohl sie alle unter den furchtbaren Zuständen in dieser neuen Kolonie litten, hatte sie nicht ein einziges Mal ihre Pflichten vernachlässigt. Er biss sich auf die Unterlippe, als ihm einfiel, wie oft sie ihn mit ihren traurigen blauen Augen angeschaut hatte. Sie hatte sich nach Kräften bemüht, ihn vergessen zu lassen, und nun sprach sie seit neuestem davon, auf dem nächsten Schiff mit den Kindern fortzugehen.
    Obwohl er zu stur war, um zu vergessen, was sie getan hatte, wusste er, dass er am Ende wäre, wenn sie ihn verließe. Welchen Sinn hatte es, den Sträflingen Liebe und Vergebung zu predigen, die Heiligkeit der Ehe und einen christlichen Lebenswandel, wenn sein eigener Haushalt in Aufruhr war? Er war Gott und der Botschaft, die er verkünden sollte, untreu, und seine eigene Schwäche trennte sie. Er musste die Kraft und den Mut aufbringen, von vorn anzufangen – seiner Frau glauben und vertrauen.
    Gilberts dröhnende Stimme schreckte ihn auf. »Hab überraschende Neuigkeiten, mein Alter.« Die Bank ächzte und stöhnte, als er sich neben Ezra setzte und mit einem Brief wedelte.
    Mit der Ankunft der Zweiten Flotte und der folgenden Schiffe war die Nachricht über die Französische Revolution und die Genesung von König George gekommen. Eigentlich sehnte sich jeder Kolonist nach einem Brief von zu Hause, über dem man brütete und den man wie einen Schatz aufhob, als hätte ein kleines Stück England seinen Weg auf die andere Seite der Welt gefunden.
    Ezra legte die Schreibfeder nieder und stützte die Arme auf den Tisch, erleichtert, einen Augenblick von seinen besorgten Gedanken abgelenkt zu sein. Er lächelte seinem älteren Bruder zu. Gilberts Schnurrbart war adretter denn je, sein Verhalten trotz des Gewichtsverlusts noch immer gutmütig-derb, doch hatte er seine geschwisterliche Loyalität in den letzten Jahren zur Genüge unter Beweis gestellt, und sie standen sich inzwischen sehr nah. »Ich sehe, du platzt fast vor lauter Mitteilungsbedürfnis«, sagte er.
    Gilbert fuhr sich mit einem Finger über den Schnurrbart und versuchte, nicht zu aufgeregt zu wirken. »Du befindest dich in Gesellschaft des Earls von Glamorgan, Sir Gilbert Collinson.«
    Ezra starrte ihn an. »Aber das heißt, James muss tot sein«, flüsterte er.
    »Ganz recht«, murmelte Gilbert. »Der arme Kerl hatte mitten in seiner Rede vor dem Oberhaus einen Herzanfall. Mausetot, noch ehe er auf den Boden traf.«
    Es sah Gilbert ähnlich, die Dinge unumwunden darzustellen, dachte Ezra, zumal keiner von ihnen den älteren Bruder sehr gemocht hatte. Er war schon immer ein aufgeblasener Pinsel gewesen. Im Lichte der Neuigkeiten gab er diese unchristlichen Gedanken jedoch als kleinlich auf. »Seine arme Frau und die Töchter«, murmelte er vor sich hin. »Es muss ein furchtbarer Schock für sie gewesen sein.«
    »Offenbar nicht.« Gilbert reichte ihm den Brief. »Seine Frau schreibt darin, es sei ihm schon eine Weile nicht gut gegangen, aber er habe den ärztlichen Rat in den Wind geschlagen, auf mächtiges Essen und Wein zu verzichten, was ihm so sehr am Herzen lag.« Er seufzte. »Die Mädchen sind gut verheiratet, und Charlotte hat ausgesorgt. Aber die Enkel sind alle weiblich, was bedeutet,

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