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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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glaube, mein Leben wird hier einem besseren Zweck dienen.« Lächelnd schaute sie zu ihrem Vater auf. »Ich habe beschlossen, mein Leben Gott zu widmen, und wo könnte ich Sein Werk besser tun als hier?«
    »Mach dich nicht lächerlich«, blaffte Susan. »Du bist viel zu jung für eine so weit reichende Entscheidung, ohne ausgiebig darüber nachgedacht zu haben, was sie für deine Zukunft bedeutet.«
    »Ganz und gar nicht«, entgegnete Florence. »Gott hat zu mir gesprochen und mir gezeigt, wo ich am dringendsten benötigt werde.«
    Susan konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie wollte schon protestieren, da fuhr ihre Tochter jedoch schon fort: »Seine Botschaft muss den gottlosen und böswilligen Seelen weitergegeben werden, die hier leben – und mit deiner Hilfe, Vater, habe ich vor, ihnen das Licht Seiner Liebe zu bringen.«
    Susan war sprachlos. Sie war schockiert, wie rasch Florence die Möglichkeit eines Auswegs ausgeschlagen hatte, obwohl für alle sichtbar war, dass sie das Leben hier verabscheute. Woher kam dieser plötzliche missionarische Eifer? Das Mädchen hatte ihn bisher nicht durchblicken lassen.
    Sie schaute Ezra um Beistand heischend an und drängte ihn schweigend, Florence zur Vernunft zu bringen. Doch sein freudiger Ausdruck zeigte ihr, dass sie diese Schlacht bereits verloren hatte.

Vierter Teil
    W
echselfälle des
G
lücks

Sechzehn
    Hawkesbury River, Februar 1791
    D
ie Hitze tanzte in Wellen über dem Land, verwischte den Horizont, ertränkte die Bäume in schimmerndem wechselndem Licht. Auf dem Hawkesbury River zogen schwarze Schwäne in königlicher Haltung ihre Bahnen, das Schnattern der bunten Papageien wurde unterbrochen vom klagenden Krächzen der Krähen und dem rauen Gelächter des Kookaburra.
    Eine warme Brise wehte durch die Weizenfelder, die unter einem klaren und verblüffend blauen Himmel wogten. Ernest schwang neben seinem sechzehnjährigen Bruder die Sense; dann banden sie den Weizen zu Garben. Der Schweiß brannte ihm in den Augen und durchnässte sein Hemd, seine Hände waren voller Blasen, unter den Fingernägeln saß Dreck, doch hatte er sich noch nie so lebendig gefühlt; er musste George unwillkürlich anlächeln, als sie ihre erste Ernte einholten. Entgegen allen Erwartungen sah es so aus, als hätten sie dieses wilde, unbarmherzige Land gezähmt und endlich einen Erfolg erzielt, wo andere versagt hatten.
    Sie kamen ans Ende des Feldes und machten im Schatten der noch stehenden Eukalyptusbäume eine Pause. Ernest streckte seine schmerzenden Muskeln, zog sich das durchnässte Hemd aus der Hose und ließ es in der warmen Brise flattern. George tat es ihm gleich, denn mittlerweile arbeiteten sie beide nicht mehr mit bloßem Oberkörper; sie hatten wegen Sonnenbrand viele Arbeitstage eingebüßt. Sie trugen breitrandige Hüte, locker gewebte Leinenhosen und stabile Stiefel und hatten ihr Haar bis über die Schultern wachsen lassen.
    Wehmütig verzog Ernest das Gesicht. So viel zu den schmucken jungen Städtern, die sie früher einmal werden wollten – jetzt glichen sie eher den Sträflingsarbeitern drüben in Port Jackson. Er musste allerdings zugeben, dass die Kleidung praktisch war und viel kühler als die, die sie aus England mitgebracht hatten; und da sie am äußersten Rand jeglicher Zivilisation lebten, spielte es auch keine Rolle, dass sie ungekämmt waren.
    Eigentlich, dachte er und nahm einen tiefen Schluck kühles Wasser aus dem Zinnkrug, gefiel es ihm sogar, sich nicht rasieren und in steife Kragen und enge Jacken zwängen zu müssen. Es verlieh ihm ein Gefühl der Freiheit, das er in Cornwall nie gekannt hatte; wenn er auf seine Kindheit zurückschaute, erinnerte er sich an die engen Regeln der Gesellschaft und die betäubende Langeweile des Lebens in einer so kleinen Gemeinschaft. England und alles, wofür es stand, war in den vergangenen zweieinhalb Jahren zu einer Art Traum geworden, und inzwischen fiel es ihm schwer, an eine andere Wirklichkeit als die schiere Pracht dieses neuen Landes zu denken.
    Er schaute über das Land, das sie gerodet hatten, und konnte sich nur wundern, was Jungen im Alter von sechzehn und achtzehn Jahren alles leisten konnten. Es war guter, fruchtbarer Boden, der reiche Ernte versprach. Ein Mann konnte hier ein Vermögen machen, wenn er bereit war zu arbeiten – und George war ihm trotz seiner Jugend an Ausdauer ebenbürtig.
    Schließlich wandte Ernest sich ab und warf sich neben dem jüngeren Bruder auf den harten Boden. Die

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