Träume jenseits des Meeres: Roman
am Ufer gesammelt hatte. Er strich mit dem Feuerstein über das Metall, bis aus dem Funken eine Flamme wurde, die das trockene Reisig entzündete. Er spießte die drei großen Fische auf einen Stock und legte sie über das Feuer.
Während George sich um den Fisch kümmerte, redete Ernest weiter auf das Mädchen ein und versuchte, ihr die Angst zu nehmen. Ganz allmählich begann sie sich zu entspannen. »Baa-do« , flüsterte sie noch einmal. »Baa-do.« Als er fragend die Stirn runzelte, streckte sie die Zunge heraus und fuhr sich über die aufgesprungenen Lippen.
Da hatte er begriffen. Rasch sprang er auf, eilte hinunter an den Fluss und füllte seinen Hut mit Wasser. Er ging wieder zu dem Mädchen zurück und half ihr, sich aufzusetzen; sie trank in gierigen Zügen. »Wasser«, erklärte er.
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Baa-do« , sagte sie. »Wassa.«
Bis sie den Fisch gegessen hatten, war die Sonne ganz untergegangen. Die Brüder sammelten noch mehr Feuerholz, damit sie es in der Nacht nachlegen konnte. Sie füllten für sie einen Topf mit frischem Wasser gegen den Durst. Zum Abschied tippten sie an ihre Hüte und machten sich auf den Heimweg.
Lowitja tauchte aus dem Gebüsch auf. Sie hatte unter den Bäumen gestanden und zugesehen, wie die jungen Männer sich dem Mädchen näherten, den Speer griffbereit, falls sie ihr etwas antun sollten. Sie hatte auch dann noch Wache gehalten, als die beiden ihr etwas zu essen und Wasser gaben; ihr wurde klar, dass sie so freundlich waren wie die Frau drüben im großen Lager. Es war nichts zu befürchten.
Sie wartete, bis der Mond hoch stand, und half ihrer Tochter dann ins Kanu am Flussufer. Nachdem sie gut untergebracht war, ging sie zu dem eigenartigen Unterschlupf, in dem die Jungen schliefen. Sie legte das Hemd mitsamt Angelgerät auf den Boden; daneben stellte sie einen großen geflochtenen Bastkorb mit drei schönen Fischen. Sie würden ihr Geschenk finden, wenn sie aufwachten, und wissen, dass sie die Hilfe, die sie ihrer Tochter erwiesen hatten, als Zeichen der Freundschaft angenommen hatte.
Port Jackson, April 1791
Billy war hocherfreut, als er erfuhr, dass man – er empfand es als ausgleichende Gerechtigkeit – Alfred Mullins noch nicht erlaubt hatte, nach England zurückzukehren. Er war ein Tyrann, dessen Brutalität durch die Unmengen Rum, die er in sich hineinschüttete, zusätzlich angefacht wurde – doch saß er hier fest wie sie alle, und das Wissen, dass Mullins jede einzelne dieser Minuten verabscheute, besserte Billys Laune ungemein. Seine Grobschlächtigkeit und sein abartiges Vergnügen an der Prügelstrafe machten ihn zu einer verhassten Person unter den Sträflingen, und Billy wunderte sich, dass ihn nicht schon längst jemand aus dem Weg geräumt hatte.
Eine Stunde nach Tagesanbruch schlenderte Billy über die unbefestigte Straße zum Lagerhaus. Mullins sammelte bereits seinen Arbeitstrupp aus Sträflingen ein. Billy schloss das Lagerhaus auf und wandte sich in der Tür um. Mullins beobachtete ihn mit hasserfülltem Blick. Lächelnd tippte Billy an seinen Hut, wohl wissend, wie sehr Mullins ihm die Stellung in der Kolonie missgönnte und die Tatsache, dass er ihm nun, da er direkt dem Befehl des Gouverneurs unterstand, nichts mehr anhaben konnte.
Der Wachhabende krabbelte aus dem Stroh, um ihn zu begrüßen, als er das Lager betrat, und Billy dachte bei sich, dass er einen Ersatz für ihn suchen müsste. Denn es war nicht gut, wenn jemand, der das Lager bewachen sollte, die Augen nicht aufhalten konnte, und er wäre schön dumm, wenn er die Behaglichkeit von Nells Umarmung aufgäbe, um die ganze Nacht hier zu sitzen und diese Aufgabe selbst zu übernehmen.
Er schaute sich im Lager um und atmete das köstliche staubige Aroma von Tee und Getreide ein. Jetzt, da die Farmen eigene Ernte einbrachten, war es gut gefüllt; außerdem hatte das Eintreffen von Walfangschiffen und Kaufleuten den Vorrat an dringend benötigtem Öl und Paraffin sowie an Flachs, Seife, Rum und Schuhleder aufgestockt.
Billy stand eine Weile bewundernd vor den Säcken, Kisten und Fässern, bevor er die stabilen Wände und das Blechdach betrachtete. Er hatte darauf bestanden, das alte Lager abzureißen – es hätte keiner Maus standgehalten, so verfallen war es –, und strikte Anweisung erteilt, wie das neue zu bauen sei. Er war mit dem Ergebnis zufrieden, doch musste das morgendliche Ritual nach wie vor aufrechterhalten werden.
Ungeziefer, Tieren
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