Träume jenseits des Meeres: Roman
ging schweigend weiter. »Wie wäre es mit Hawks Head Farm?«
George nickte; sein dunkles Haar glitzerte beinahe blau in der Sonne. »Klingt gut. Obwohl es kaum Kornisch ist.«
»Ich weiß, aber Cornwall gehört jetzt einem anderen Leben an, oder? Wir gehören jetzt in dieses neue Land, und da wir am Hawkesbury River sind, erschien mir der Name passend.«
»Dann soll es Hawks Head Farm sein. Morgen mache ich ein Schild.«
Sie gingen am Fluss entlang und schritten langsam das Land ab, das bald ihnen gehören würde. »Nur schade, dass die Sträflinge nicht für uns arbeiten dürfen«, murmelte George. »Wir wären doppelt so schnell mit allem fertig.«
»Stimmt. Es ist völlig absurd. Wir brauchen sie hier auf dem Land, und ich bin mir sicher, wir sind nicht die Einzigen, die sie entlohnen wollen.«
»Man muss etwas unternehmen«, stimmte George ihm zu mit einem Blick über das Unterholz und die vielen Bäume, die bald zu roden wären. »Die Kolonie wird immer größer, und es gibt einfach nicht genug zu essen.«
Über dieses Thema wurde zwar heftig diskutiert, doch hatte es ohne eine radikale Gesetzesänderung in der neuen Kolonie wenig Aussicht auf eine Lösung. Sie wechselten das Thema und besprachen ihre Pläne für den nächsten Tag.
Dann erstarrten sie.
»Was war das?«
Ernest lauschte angestrengt, er witterte Gefahr. Bisher hatten die Stämme der Cadigal und Eora ihnen keinen Ärger bereitet, doch wussten sie, dass man sie beobachtete und verfolgte – sie hatten Geschichten von anderen Farmern gehört, die mit Speeren getötet worden waren, sobald die Siedler weiter landeinwärts oder an der Küste weiter nach Norden gezogen waren. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie dasselbe Schicksal traf, und er verfluchte seine Gedankenlosigkeit, wegen der er die Gewehre in der Hütte gelassen hatte.
Mit einer Kopfbewegung deutete George auf die primitive Angelausrüstung und die Einbaumkanus, dann nahm er eine leichte Bewegung im Gras weiter flussaufwärts am Ufer wahr und zeigte in die Richtung. »Da drüben.« Er formte die Worte mit den Lippen.
Vorsichtig näherten sie sich der Stelle, bis sie sahen, was da im hohen Gras verborgen lag.
Die junge Frau war schwarz wie die Nacht und nackt, wie Gott sie geschaffen hatte. Ernest schätzte sie auf sechzehn Jahre, und sie lag im hohen Gras, sich tief in die dürftige Deckung verkriechend. Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie ängstlich zusah, wie die beiden auf sie zukamen. Ein schrecklicher Klagelaut entrang sich ihrer schlanken Kehle, und ihre Augen flehten um Erbarmen.
»Es sieht so aus, als habe sie die Pocken gehabt«, murmelte Ernest vor sich hin, als er die geschwollenen Knie und Ellenbogen bemerkte, die pockennarbige Haut und ihre schwachen Bewegungen. »Das würde erklären, warum sie nicht vor uns weglaufen konnte. Das arme Mädchen hat panische Angst.«
»Aber sie ist nicht allein«, erwiderte George. »Da unten lagen zwei Kanus und Angelgerät.« Wachsam schaute er sich um. »Wir müssen vorsichtig sein.«
»Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen«, entschied Ernest. »Sie hat Schmerzen und kann nicht für sich selbst sorgen. Die Freunde, die mit ihr fischen waren, sind wahrscheinlich inzwischen meilenweit entfernt.« Er hockte sich neben sie, woraufhin sie vor ihm zurückwich. Er hob eine Hand, um sie zu trösten. Sie war sehr schlank, und die Schwellung an den Gelenken ließ ihre Gliedmaßen noch zerbrechlicher erscheinen. »Keine Angst«, sagte er sanft, als beruhige er ein kleines Kind. »Wir tun dir nicht weh.«
Sie starrte ihn unverwandt an, in ihren bernsteinfarbenen Augen glitzerten Tränen, und sie rollte sich zu einem Ball zusammen wie ein in die Enge getriebenes Tier.
Ernest zog sein Hemd aus. Es war nach dem Schwimmen getrocknet und war das Einzige, mit dem er sie warm halten konnte, jetzt wo die Sonne fast hinter den Bergen untergegangen war. »Wir sollten sie mit ins Haus nehmen«, sagte er. »Aber das wird sie noch mehr in Angst und Schrecken versetzen.«
»Baa-do« , jammerte sie. »Baa-do.«
»Was sagt sie?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Ernest. »Aber wir müssen Feuer machen, damit wir den Fisch, den sie gefangen hat, kochen und sie warm halten können.«
George eilte zurück zur Hütte und kam kurz darauf mit den Gewehren wieder, einem Armvoll Brennholz und einer Zunderbüchse. Ernest hatte bereits eine Grube für das Feuer ausgehoben und das flache Loch mit Steinen umgeben, die er
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