Träume jenseits des Meeres: Roman
der Hose ab. Hier musste eine Entscheidung getroffen werden, und da er Nell und das Kind nicht verlieren wollte … »Ich wäre glücklich, sie zu heiraten, Sir«, trug er mit mehr Verve vor, als er tatsächlich empfand.
Gilbert lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, Lachfältchen um die Augen. »Ich bin mir sicher, mein Bruder wird die Trauung mit Freuden vornehmen, und sobald das erledigt ist, werde ich die Papiere für Nells Freispruch auf Bewährung ausfertigen lassen.«
Er erhob sich und stapfte um seinen Schreibtisch herum, schüttelte beiden Männern die Hand und überreichte ihnen die kostbaren Dokumente. »Viel Glück euch beiden«, sagte er herzlich. »Australien wird eines Tages eine große Kolonie sein. Und Männer wie ihr machen den Weg für zukünftige Generationen frei. Viel Erfolg!«
Nell saß am Spinnrad, als Billy in die riesige Scheune platzte und über den Lärm der Webstühle hinweg nach ihr rief. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und lachte erleichtert. Bei der Begegnung, der er so sorgenvoll entgegengesehen hatte, musste etwas Gutes herausgekommen sein. Ohne auf die Aufseherin zu achten, eine hartgesottene Schlampe mit spitzer Zunge, ließ sie das Schiffchen mit dem rohen Flachs fallen und lief auf ihn zu. »Was ist los, Billy?«
Er legte ihr die Arme um die Taille, schwenkte sie herum, dass ihre Röcke flogen, und küsste sie, bis sie keine Luft mehr bekam. »Willst du meine Frau werden, Nell?«, rief er.
Alle legten die Arbeit nieder, so dass es in der Scheune im Nu still wurde. Die anderen Frauen warteten auf Nells Antwort. Sie hatte geglaubt, sie würde diese Worte nie zu hören bekommen, und ihr Glück drohte ihr für sie untypische Tränen in die Augen zu treiben. »Ja«, rief sie. »Ja, Billy. Ja!« Sie warf ihm die Arme um den Hals und küsste ihn, so dass sie beide fast zu Boden gefallen wären.
»Männern ist der Zutritt zum Schuppen der Frauen untersagt«, tönte eine stählerne Stimme hinter ihr. »Und dein Benehmen gehört sich nicht. Ich werde euch beide melden müssen.«
Nell wollte ihr schon über den Mund fahren, doch Billy kam ihr zuvor. »Ich bin gerade auf Bewährung freigesprochen worden und Ihren Vorschriften nicht mehr unterworfen«, sagte er gelassen. »Und sobald wir verheiratet sind, wird das auch für Nell gelten. Daher schlage ich vor, Sie gehen wieder an Ihre Arbeit und kümmern sich um Ihre eigenen Angelegenheiten.«
Die anderen Frauen applaudierten und jubelten, als sie die beiden Sträflinge schief anschaute. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, streckte das spitze Kinn vor, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zurück an ihren Tisch, wo sie vergeblich versuchte, die Ordnung wiederherzustellen.
»Der hast du es aber gegeben«, sagte Nell und warf den Kopf in den Nacken. Dann wandte sie sich an Billy; sie konnte kaum glauben, dass es stimmte. »Sag es mir noch einmal«, rief sie, während die Webstühle klapperten und rasselten und die Frauen lauthals über die Ereignisse am Morgen redeten.
Billy zog sie ins Freie und erklärte der Reihe nach, was Gilbert gemacht hatte, und als sie schließlich glaubte, dass sie das alles nicht geträumt hatte, schmiegte sie sich in seine Arme: Endlich hatte sie ein Zuhause gefunden.
Susan und Ezra freuten sich unbändig über die Neuigkeiten und ließen sich die Vorbereitungen auch nicht durch Florence verderben, die an der Herkunft der Braut und ihrer gut sichtbaren Schwangerschaft herummäkelte.
Billy lieh sich einen Anzug von Ezra, der an den Schultern etwas eng saß und bessere Zeiten gesehen hatte, und auch Jack gelang es, sich als feinen Mann auszustaffieren. Sie waren beide fest entschlossen, nicht in Sklavenkleidung an der Zeremonie teilzunehmen.
Susan hatte nur einen Tag, um ihr bestes Kleid für die dralle Nell umzuändern, doch sie nähte die ganze Nacht hindurch und brachte es sogar fertig, ihre Sonntagshaube mit ein paar passenden Bändern zu versehen. Millicent Parker, die gerade in den neuen Anbau ihrer kleinen Hütte eingezogen war, machte sich daran, einen dem Anlass entsprechenden riesigen Kuchen zu backen.
Die Trauung fand am frühen Morgen statt. Nell, in den Kleidern einer anderen Frau und einen Strauß gelber Akazien in der Hand, stand stolz neben Billy, als sie ihre Gelübde austauschten und Ezra sie zu Mann und Frau erklärte.
Susan und Millicent weinten, Ezra und Jack sahen glücklich aus, Florence blickte finster drein. Gilbert erhob sich, um seine Rede zu
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