Träume jenseits des Meeres: Roman
eingetroffen waren.
Der Kommandeur der Marinesoldaten, der Gouverneur Phillip nach Australien begleitet hatte, um die Einwohner vor den Eingeborenen zu schützen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen, hatte sich glatt geweigert, seine Männer als Aufseher oder Wachen einzusetzen. Diese Positionen mit Sträflingen zu besetzen, hatte sich als unbrauchbar erwiesen, und Phillip hatte sich gezwungen gesehen, die britische Regierung zu bitten, ein Sonderregiment aufzustellen.
Vor einigen Monaten war das erste Corps eingetroffen, um die Posten anzutreten, und man war sich einig, dass die Regierung den schäbigsten Rest ihrer Untertanen als Rekruten zusammengekratzt haben musste. Die meisten Soldaten kamen aus einem Militärgefängnis, und auch das Kaliber der Offiziere war mehr als fragwürdig. Es hatte bereits einige Fälle von brutalen Übergriffen gegen die Eingeborenen gegeben, von Trunkenheit, Diebstahl und Handel mit Prostituierten, was für die Zukunft der Kolonie nichts Gutes ahnen ließ.
Millicent hörte dem Hin und Her der Debatte zu, konnte sich aber nicht konzentrieren, weil sie andauernd zum Tor schaute.
»Wartest du auf jemand Bestimmtes?«, murmelte Nell und beugte sich zu Millicent hinüber, wobei sie noch weitere Einblicke in ihr Dekolletee bot. Sie stieß Millicent sanft in die Rippen und zwinkerte ihr zu. »Ist doch nicht etwa ein gewisser junger Mann, auf den du seit einiger Zeit ein Auge geworfen hast, he?«
Millicent wurde rot. »Sei nicht albern.« Sie kicherte.
Nell hob eine feuerrote Augenbraue, ihre Augen funkelten schelmisch. »Ich bin nicht blöd, Kleines. Auf der Hitze deines Gesichts könnte man ein Essen kochen.«
Ein Ausruf rettete Millicent davor, zu antworten, doch als sie sich mit den anderen umdrehte, um den Neuankömmling zu begrüßen, errötete sie noch mehr. Ernest kam über den Rasen. Mit seinen zwanzig Jahren war seine Haut bereits von der Sonne gegerbt, Schultern und Arme waren muskulös von der Arbeit auf den Feldern. Sein helles Haar musste geschnitten werden, und obwohl er sich an diesem Tag mit seiner Kleidung Mühe gegeben hatte, sah Millicent, dass sie auseinanderzufallen drohte. Ihr Herz begann schmerzhaft zu pochen, als sie langsam aufstand.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagte er schüchtern, beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, und wurde hochrot.
Millicent stockte der Atem, als seine Lippen über ihren Kiefer streiften. Es war, als habe sie der Blitz getroffen.
Auch er schien es zu spüren, denn er wich zurück, als sei er gestochen worden. Um seine Verlegenheit zu überbrücken, schob er ihr etwas in die Arme. »Ich wusste nicht, was dir gefällt, deshalb hab ich dir das hier gekauft.«
Millicent schaute auf den zweiten roten Stoffballen und musste unwillkürlich schmunzeln, als sie sich bei ihm bedankte. Sie hatte genug von dem Stoff, um daraus eine ganze Garderobe anzufertigen, und obwohl Scharlachrot nicht gerade ihre Lieblingsfarbe war, würde sie sie nun wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren tragen.
Die Teeparty nahm mit angeregter Unterhaltung ihren Gang. Amy wanderte unterdessen von Schoß zu Schoß. Millicent und Ernest wechselten scheue Blicke, wobei ihnen schmerzlich bewusst war, dass Nells wissenden Augen nichts entging.
Als die Sonne hinter den Bäumen verschwand und die Moskitos zu surren begannen, hüllte Nell ihre Kleine in einen Schal und packte sie in eine speziell angepasste Satteltasche mit den Briefen an Billy und Jack. »Der Himmel weiß, was die Männer in den vier Tagen meiner Abwesenheit angestellt haben. Höchste Zeit, dass ich mich aufmache.« Mit lautem Abschiedsgruß ritt sie in einer Staubwolke davon.
»Billy kann sich glücklich schätzen«, bemerkte Susan.
»Wir sollten auch lieber gehen«, sagte George und schlug den Hut an den Oberschenkel, was einen kleinen Sandsturm verursachte. »Es ist ein langer Ritt bis Hawks Head.«
Ernest schaute in den Himmel und dann auf Millicent. »Reite du schon vor«, sagte er ruhig. »Ich komme nach.«
George griente, als er seinen Vater umarmte. »Ernie auf Freiersfüßen«, flüsterte er so laut, dass alle es hörten.
Ernest zog dem jüngeren Bruder ein Ohr lang. »Geh nach Hause, Nervensäge. Und mach dich mal an die Arbeit, statt unten an den Docks herumzulungern. Walfangschiffe mögen für dich viel interessanter sein als Landwirtschaft, aber wir haben ein Feld zu roden und eine Scheune zu bauen.«
Millicent hörte den Wortwechsel und hoffte
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