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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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ihnen ins Gesicht spucken.
    »Warum haben sie es getan, Susan?«, flüsterte Millicent. »Warum gerade ich? Bin ich denn so schlecht?«
    Unendliche Traurigkeit überkam Susan. Wenn sie ihr nur die Last des Schmerzes und der Verzweiflung abnehmen könnte – könnte sie doch nur die Verletzung durch die Liebe, die sie für das arme Mädchen empfand, erleichtern. »Die Männer, die dir das angetan haben, sind schlecht«, erwiderte sie.
    »Aber warum, Susan?« Erneut begann sie zu schluchzen, und ihre Worte kamen gepresst und schnell, während sie mit dem, was von ihren Fingernägeln übrig geblieben war, an ihren Armen riss. »Ich ermutige sie nicht – das habe ich noch nie gemacht. Aber sie picken mich heraus, weil sie sehen, dass ich dreckig, ekelhaft, unflätig bin.«
    Susan hielt ihr rasch die Hände fest, bevor sie noch weiteren Schaden anrichten konnte. Die Not des Mädchens erschütterte ihren Glauben an einen freundlichen, fürsorglichen Gott. Ohne eigenes Dazutun war Millicent seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr ein Opfer der Männer gewesen. Wie konnte Gott nur so grausam sein, ihr die Andeutung von Sicherheit und Glück zu schenken, um ihr dann alles zu entreißen?
    Ezra hatte nicht geschlafen, und als der Himmel gegen Morgen heller wurde, ging er aus dem Haus. Was Millicent zugestoßen war, peinigte ihn ebenso wie Susan, und sein unerschütterlicher Glaube war in den Grundfesten erschüttert.
    Florence musste ihm die Wut und Qual angesehen haben, als sie die Tür öffnete, denn ihr freundliches Lächeln verblasste, sobald er an ihr vorbei ins Wohnzimmer stürmte. Er wartete auf sie.
    »Florence«, hob er an, und das eine Wort dröhnte durch das kleine Zimmer. »Bist du dir bewusst, welchen unsäglichen Schaden deine gehässige Zunge angerichtet hat?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern berichtete über die Ereignisse des vorangegangenen Abends. Er nahm kein Blatt vor den Mund und schilderte die grausame Tat in allen Einzelheiten mit monotoner Stimme, die auch das härteste Herz erweicht hätte.
    Florence sah ihn erschrocken an und sank auf einen Stuhl. »Ich fasse es nicht, was du da sagst«, murmelte sie vor sich hin. »Die arme Millicent.«
    Aber Ezra hörte die Unaufrichtigkeit aus ihrer Stimme heraus. »Arm ist sie in der Tat«, fuhr er sie an. »Das Kind hatte Angst vor Schatten. Wie um alles in der Welt sie eine solche Qual überlebt hat, ist mir schleierhaft.«
    »Ich verstehe nicht, warum du so böse auf mich bist, Papa«, sagte sie sanft. Tränen stiegen ihr in die Augen. »Es ist wohl kaum meine Schuld, wenn sie sich in The Rocks verlaufen hat.«
    Seine Wut war so übermächtig, dass er sich kaum beherrschen konnte. »Was hast du mir zu sagen, Florence? Was hast du Millie erzählt? Warum war sie so außer sich, dass sie den Weg nach Hause nicht fand?«
    »Ich habe sie gestern gar nicht gesehen«, behauptete sie. »Und es verletzt mich, dass du mich einer Mittäterschaft in dieser Tragödie verdächtigst.«
    »Sie war also nicht mit einer Notiz von Susan bei dir?« Ezra baute sich vor ihr auf. Ihre dreiste Lüge traf ihn zutiefst.
    »Wenn, dann hätte ich sie dir doch gegeben«, erwiderte sie, wich seinem Blick aus und verkrampfte die Hände im Schoß.
    »Ach ja?«, fragte er unterkühlt. »Wie erklärst du dann das hier?« Sie wurde bleich, als sie den Brief erblickte, den er beim Betreten des Raumes gefunden hatte. Er war zerknüllt und hatte Rußflecken, aber man konnte ihn noch lesen.
    »Sie muss hier gewesen sein, als ich nicht da war«, sprudelte sie hervor.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte er, glättete das Papier und faltete es sorgfältig zusammen, bevor er es einsteckte. »Sie hätte die Notiz wohl kaum im Kamin hinterlassen.« Er betrachtete sie traurig. »Im Übrigen«, fuhr er fort, »hat Mary Johnson gestern Abend an ihrem Wohnzimmerfenster gesessen und genäht; sie hat gesehen, wie Millicent zu dir kam.«
    Die Stille im Raum wurde nur vom Ticken einer Uhr durchbrochen. Sie schauten sich an. Die deutlich sichtbare Bedrängnis seiner Tochter tat ihm nicht leid, er war nur unendlich traurig, dass Florence so leicht lügen konnte.
    »Mary sah dich auf die Veranda treten und war beunruhigt, wie grob du mit Millicent umgesprungen bist. Sie war schon im Begriff, sich einzuschalten, als Millicent in offensichtlich höchster Not davonlief, doch als sie dann ihre Gedanken beisammen hatte und ihr folgte, war sie nirgendwo mehr zu sehen. Was hast du ihr gesagt, Florence?«
    Sie sah

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