Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
ihn unverwandt an, und Ezra merkte, dass sie verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Sie suchte erneut Zuflucht im Weinen.
    »Dafür ist es jetzt zu spät«, sagte er tonlos. »Spar dir die Tränen, Florence, und habe den Mut, deinen Anteil an dieser grässlichen Episode zuzugeben.«
    Florence schien zu schrumpfen. »Tut mir leid, Papa«, flüsterte sie. »Es war nur ein alberner Streit um nichts und wieder nichts.« Sie hob die tränennassen Augen in stummer Bitte. »Niemandem würde ich so etwas wünschen – am wenigsten der armen kleinen Millicent.«
    Er ließ sich durch ihre falsche Reue nicht beeindrucken. »Ein Streit über Nichtigkeiten hätte nicht zu Millicents Vergewaltigung geführt«, entgegnete er. »Aber du hast offenbar nicht die Absicht, mir die Wahrheit zu sagen.« Er hob eine Hand, um ihre Entgegnung zu unterdrücken. »Die Behörden sind informiert, und es wird eine Gerichtsverhandlung geben. Man wird dich als Zeugin für die Ereignisse aufrufen, die Millicents Qualen vorausgingen, und man wird dich unter Eid stellen. Und dann, Florence, wirst du zur Abwechslung mal die Wahrheit sagen.«
    Florence tupfte sich die Augen ab. »Ja, Papa.«
    Ihre falsche Unterwürfigkeit widerte ihn an. Ezras Stimme war leise, aber emotionsgeladen. »Mir ist das Herz schwer, Florence. Mir muss etwas fehlen, weshalb ich als Vater versagt habe.«
    »Nein, niemals«, unterbrach sie ihn.
    Er reagierte nicht darauf. »Ich werde um die rechte Führung beten, und wenn es Gott gefällt, mir den Weg zu zeigen, werde ich wieder mit dir reden.« Er nahm seinen Hut an sich. »Bis dahin will ich dich in meinem Haus oder in meiner Nähe nicht mehr sehen.«
    Florence stürzte sich auf ihn, schlang die Arme um seine Taille und klammerte sich an ihn. »Papa«, keuchte sie, und ihre Tränen durchnässten sein Hemd. »Das kannst du nicht machen. Ich liebe dich doch.«
    Steif und unnachgiebig ließ er ihre Umarmung über sich ergehen, während sie weinte und bettelte und sich an seinem Mantel festhielt. Zuletzt war er ihre Tränen leid, packte sie an den Armen und schob sie von sich. Er schaute auf sie hinab. Seine Stimme war belegt. »Du sagst, du liebst mich, du seiest auserwählt, mir bei meinem geistlichen Amt zu helfen – doch wahre Liebe entspringt der Demut und dem Mitgefühl für andere. Sie ist selbstlos und allumfassend und bringt sowohl dem Gebenden als auch dem Nehmenden Freude.«
    Florence schaute ihn verwirrt an. »Papa?«
    »Du hast das Wort ›Papa‹ und alles, wofür es steht, beschmutzt«, sagte er traurig. »Bitte, verwende es nie wieder.« Er machte auf dem Absatz kehrt, verließ das Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Millicent ließ sich stundenlang in der Wanne vor dem Herd einweichen, nachdem der Arzt gegangen war. Sie hatte Susan gedrängt, immer wieder heißes Wasser nachzufüllen, und den Gestank der Tiere abgeschrubbt, die sie überfallen hatten. Doch sie konnte sich noch so viel Mühe geben, das Gefühl der Berührungen auf ihrer Haut wurde sie nicht los. Sie konnte ihre Stimmen, ihre wilden Augen und das, was sie getan hatten, nicht aus dem Kopf vertreiben.
    Der Arzt war nett gewesen, seine Untersuchung kurz und unpersönlich. Susan hatte sie schließlich aus der Wanne gelockt und ihr ein sauberes Nachthemd übergezogen; jetzt lag sie fest unter der Bettdecke in ihrem Zimmer. Die Fensterläden waren fest verschlossen, um die Sonne dieses neuen Tages auszusperren; sie hatte einen Stuhl unter den Türgriff geklemmt, damit niemand ohne ihre Erlaubnis hereinkam. Sie hatte sich auf dem Bett eingerollt und lauschte den Geräuschen vor ihrer Tür. Sie waren weit entfernt, als kämen sie aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt, und sie verband sie nicht mehr mit den Menschen, die dort wohnten.
    Sie schloss die Augen und quälte sich mit den Erinnerungen an das, was geschehen war. Sobald sie die Augen wieder aufschlug, sprangen die Beweise sie an: die dunklen Prellungen und frischen Kratzer, die ihren gesamten Körper bedeckten. Es gab keinen Ausweg – keinen Platz, an dem sie sich verstecken konnte. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen war sie von den Männern gezeichnet – und als sie die Knie höher zog und sich so klein wie möglich machte, wünschte sie, sie könnte einfach verschwinden.
    Ihre Gedanken wanderten zu Ernest, und sie wusste ohne jeden Zweifel, dass seine liebevollen Arme sie zum letzten Mal gehalten hatten; sein nettes Lächeln würde er einer anderen schenken. Ihr brach

Weitere Kostenlose Bücher