Träume jenseits des Meeres: Roman
Vergangenheit besudelt.«
Susan ballte die Fäuste noch fester. Ihre Nerven waren angespannt, und sie musste sich zwingen, sitzen zu bleiben, als der Richter seine Aufmerksamkeit den anderen Anwesenden zuwandte.
»Wir haben die Aussage des Arztes, dass Millicent Parker Opfer eines grässlichen Überfalls wurde, aber da die Angeklagten sich offenbar woanders aufhielten, kann ihnen keine Schuld nachgewiesen werden.«
Eine lange Pause trat ein. Susan und Millicent wappneten sich für das Urteil.
Hawkins warf einen Blick auf seine Taschenuhr und sammelte die Papiere ein. »Ich erkläre die Anklage für unbegründet. Die Klage ist abgewiesen.«
Jonathan sah, wie Susan einen Arm um Millicent legte, um sie durch die Hintertür zu einer wartenden Kutsche förmlich zu tragen. Ihm war übel vor Reue. Er hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, sie schlechtzumachen, und den Brief nur als letztes Hilfsmittel mitgebracht. Der Beweis gegen Millicent hätte gereicht, doch Susan hatte ihren eigenen Ruf ruiniert, als sie in Wut geriet und die Verhandlung störte.
Es war ein Schock gewesen, sie wiederzusehen, obwohl er Nachforschungen angestellt und gewusst hatte, dass sie vor Gericht erscheinen würde, um das Mädchen zu unterstützen. Sie war prächtig gewesen, das musste er zugeben, und ein Geringerer als er hätte angesichts ihres Ehrfurcht gebietenden Temperaments einen Rückzieher gemacht. Susan hatte sich ihren Kampfgeist auf jeden Fall bewahrt und besaß ungeachtet der vielen Jahre als respektierte Matrone noch immer das Feuer und die Energie des Fischermädchens, in das er sich vor langer Zeit verliebt hatte.
Er steckte die Papiere wieder in die Ledertasche. Zu wissen, was er getan hatte, verursachte ihm Kopfschmerzen und Magenkrämpfe. Er war zu derb vorgegangen, um den Prozess des Mädchens ad absurdum zu führen, und nun hatte er sich die einzige Frau, die er je wirklich geliebt hatte, zur Erzfeindin gemacht. Wenn sie sich nur nicht eingemischt hätte – doch es war müßig, Geschehenes rückgängig machen zu wollen. Die Feindschaft zwischen ihnen war nun nicht mehr zu überwinden.
Er schaute auf den Brief, bevor er ihn zwischen die anderen Papiere stopfte. Er war ein großes Risiko eingegangen, als er ihn einsetzte, und hatte unglaubliches Glück gehabt, dass Susan ihn nicht hatte lesen wollen, denn das Original war längst vernichtet, und er hatte ihn am Abend zuvor eigenhändig geschrieben.
Das Wagnis hatte sich gelohnt, und obwohl er sich nach dem, was er getan hatte, schuldig fühlte, hatte Susan ihm keine andere Wahl gelassen. Name und Ruf der Familie mussten geschützt werden, und wenn das bedeutete, einen Meineid zu leisten, dann sollte es eben so sein. Doch Susan als Geliebte und Freundin zu verlieren, war noch schwerer zu ertragen – der Preis war zu hoch für das, was er an diesem Tag erreicht hatte.
»Danke, Vater«, sagte Edward förmlich. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen konnte.«
Jonathan sammelte seine Sachen zusammen und wandte sich zögernd seinem Sohn zu. Voller Abscheu schaute er in die ruhigen blauen Augen und das grinsende Gesicht. »Wir müssen miteinander reden«, sagte er leise, während sich die anderen um ihn scharten, um sich zu bedanken, bevor sie ihren Freispruch mit ihren falschen Zeugen feiern wollten. »Aber nicht hier.« Er warf einen Blick auf die Wanduhr. »Komm in einer Stunde in meine Unterkunft.«
Edward wirkte nicht mehr ganz so großspurig. Er betrachtete seinen Vater wachsam. »Ich habe was anderes vor.«
»Dann musst du deine Pläne ändern.«
»Ja, Sir.« Er salutierte spöttisch, bevor er sich seinen Freunden zuwandte.
Mit grimmiger Miene stellte Jonathan sich der unangenehmen Wahrheit: Der Junge war von der Nachgiebigkeit seiner Mutter verdorben worden und glaubte tatsächlich, er könne sich alles leisten. Er war auf jeden Fall reif für einen bösen Schock. Jonathan sah angewidert zu, wie eine Schnapsflasche herumgereicht wurde und sie sich gegenseitig beglückwünschten, bevor sie aufbrachen, um in der Stadt ihr Unwesen zu treiben. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den ganzen Haufen auspeitschen lassen, bis sie nirgendwo mehr hätten hingehen können.
Er wartete, bis sie fort waren und er sie nicht mehr hörte. Dann verließ auch er das Gerichtsgebäude. Die Sonne stach ihm in die Augen, die Hitze legte sich wie eine erstickende Decke über ihn, als er oben auf der Treppe stand und auf die Straße schaute. Bis auf einen Jungen,
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