Träume jenseits des Meeres: Roman
spielen wollte, dann konnte sie es auch.
Der Pattsituation wurde durch Jonathan ein Ende gesetzt. »Wenn Sie verzeihen, Euer Ehren«, sagte er ernst. »Ich glaube, das Gericht sollte verstehen, warum diese Frau mich und meinen Sohn so rachsüchtig angreift.«
Susan starrte ihn wütend an und wartete ab, welchen hinterlistigen Schachzug er im Schilde führte – bereit zum Gegenzug.
Jonathan wich ihren zornigen Augen aus und richtete den Blick auf einen Punkt hinter Susans Schulter. Seine Miene war undurchschaubar. »Die Hölle selbst ist nicht so wütend wie ein verschmähtes Weib, Euer Ehren«, sagte er in die Stille hinein. »Und Susan Collinson hat diese ideale Gelegenheit genutzt, sich zu rächen.«
Leichtes Unbehagen überkam sie, als sie ihn so hoch aufgerichtet und gefasst im Zeugenstand sah. Was war das für ein vertracktes Spiel? »Rächen?«, fuhr sie ihn an. »Warum sollte ich mich rächen wollen?«
Er beachtete sie nicht. »Mrs. Collinson und ich waren früher einmal Nachbarn in England, Euer Ehren, und ich möchte hier nicht unfein erscheinen, aber sie hat sich derart an mich herangemacht, dass es schon peinlich wurde.«
»Wie kannst du es wagen, mich so in den Dreck zu ziehen?« Ihr hochrotes Gesicht brannte, sie hatte die Fäuste geballt.
Er beachtete sie nicht und lächelte dem Richter zu, als wollte er ihm zu verstehen geben, dass sie beide Männer von Welt seien. »Sie hat sich mir in höchst frivoler Manier angeboten, Euer Ehren, und als ich ihre Avancen ausschlug, hat sie Rache geschworen.« Er schaute sich unter den gebannten Zuhörern um. »Heute haben wir den Beweis.«
»Du lügst.« Sie trat an den Zeugenstand, bereit, ihm ins Gesicht zu spucken und ihm die aristokratische Nase zu polieren.
»Noch einen Schritt auf den Zeugen zu, und ich werfe Sie in eine Zelle«, knurrte Hawkins.
»Er ist ein Meineidiger«, kreischte sie. »Er hat das alles nur erfunden, um seinen Sohn aus der Klemme zu holen. Hören Sie nicht auf ihn!«
»Die Zelle wartet, Mrs. Collinson«, warnte der Richter, und seine Augen funkelten vor Zorn. »Ich schlage vor, Sie halten jetzt den Mund.«
Susan biss die Zähne zusammen und verschränkte die Arme. Sie kochte vor Wut und konnte ihre Verzweiflung kaum zügeln.
Hawkins schob seine Perücke gerade und wandte sich an Jonathan. »Das ist eine schwere Anschuldigung, Sir Jonathan, und ich möchte Sie mit allem Respekt daran erinnern, dass Sie unter Eid stehen.« Er warf einen kurzen Blick auf Susan, die noch immer vor ihm stand. »Mrs. Collinson ist eine geachtete Bürgerin und die Frau unseres geschätzten Pastors. Ihre Arbeit bei den Sträflingen ist Zeugnis für ihren guten Charakter.« Sein ernster Blick kehrte wieder zu Jonathan zurück. »Können Sie das Gegenteil beweisen?«
Jonathan wich ihrem bösen Blick aus und zog ein Blatt Papier aus seiner Ledertasche, das er dem Richter reichte. »Das ist einer ihrer Briefe, Sir. Sie werden sehen, dass es eine Einladung zu einem Stelldichein ist.«
Susan unterdrückte ein Stöhnen und stützte sich an dem nächstbesten Tisch ab. Sein Verrat hatte sie im tiefsten Innern getroffen; sie hatte das Gefühl, als habe er ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt. »Wie konntest du nur?«, krächzte sie. »Wie konntest du alles derart zu deinem Vorteil verdrehen?«
Er zeigte keine Reaktion.
»Sieh mich an, du Schwein!«, schrie sie. Erneut flammte ihr Zorn auf. »Schau mir in die Augen und wiederhole deine Lügen.«
Er wurde rot, doch sein Rücken blieb steif.
»Ich weiß, warum du das machst«, fauchte sie und näherte sich wieder dem Zeugenstand. »Du beschützt deinen Sohn und den Ruf deiner Familie. Aber ich hätte nie gedacht, dass du so tief sinken würdest – hätte nicht eine Sekunde vermutet, dass du eines derart finsteren Verrats fähig wärst.«
»Setzen Sie sich! Sofort!« Hawkins donnerte mit dem Hammer auf den Tisch, Zornesröte im Gesicht.
Susan bemerkte das nervöse Zucken auf Jonathans Wange und wusste, dass ihre Anschuldigungen ins Schwarze getroffen hatten – aber sie wusste auch, dass sie geschlagen war. Sie hob das Kinn und ging zu Millicent zurück, die sie mit großen Augen bewundernd anschaute. Sie ließ sich auf die Bank plumpsen, bemüht, ihren Zorn zu beherrschen.
Hawkins las den Brief und reichte ihn zurück. »Sie haben mir bewiesen, dass beide Zeuginnen unglaubwürdig sind, ihre Aussage ist durch den unglücklichen Umgang mit Ihrer werten Person und Ihrer Familie in der
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