Träume jenseits des Meeres: Roman
der an der Ecke herumlungerte, und einen betrunkenen Aborigine, der seinen Rausch im Rinnstein ausschlief, war niemand zu sehen.
Er seufzte erleichtert auf. Der heutige Tag war schlimm genug, und seine Gewissensbisse, Susan und das Mädchen verraten zu haben, lasteten so schwer auf ihm, dass er ihnen nicht hätte gegenübertreten können. Doch er würde es noch tun, schwor er sich, denn der Gerechtigkeit war nicht Genüge getan, und er musste sein schreckliches Verlustgefühl lindern und sie wissen lassen, dass er seine eigene Art von Gerechtigkeit plante.
Der lange Weg vom Hawkesbury River, 1. Mai 1793
Ernest war drei Tage lang gelaufen, und als er barfuß durch den Busch zog, merkte er, dass er in seiner langen Hemdhose lächerlich aussehen musste. Er hatte keine Ahnung, wie er zum Haus seiner Eltern kommen sollte, ohne gesehen zu werden. Aber der Gedanke an Millicent, an die Qualen, die sie in diesem Augenblick durchstehen musste, spornte ihn an. Er hatte sich geschworen, da zu sein, wenn sie entdeckte, dass sie ihn wirklich brauchte, und er war entschlossen, dieses Versprechen einzuhalten. Millicent war seine große Liebe, und wenn das alles vorbei wäre, würde er sie mit nach Hawks Head Farm nehmen und auf sie aufpassen.
Er verzog das Gesicht, als er an die verkohlten Überreste ihrer neuen Heimstatt dachte und an die Verwüstung ihrer Ernte durch das Feuer. Sie waren um mindestens ein Jahr zurückgeworfen worden und mussten wieder von vorn anfangen – doch die öffentlichen Vorratslager würden weitere Werkzeuge und Saatgut zur Verfügung stellen, und ein Haus konnte leicht gebaut und möbliert werden. Die Zeiten würden kurzfristig noch härter werden, und manche würden sicher damit rechnen, dass sie von dort wegzogen, aber George und er waren aus einem anderen Holz geschnitzt – und ganz gleich, wie schwer das Leben in den kommenden Jahren sein würde, es würde sich lohnen, wenn er Millicent an seiner Seite hätte.
Hier im Busch war die Hitze erträglicher, das Licht wurde durch das Laub der Bäume gefiltert, die Insekten gaben klickende Geräusche von sich, und die schrillen Schreie der Vögel erfüllten die Luft. Ernest setzte seinen Weg fort, blieb nur am Fluss stehen, um zu trinken, den Schweiß abzuwaschen und sein geschwollenes Fußgelenk zu kühlen. Wenn die Dunkelheit einsetzte, sollte er allmählich die Lichter von Sydney Town sehen.
Ezra hatte mit Pferd und Kutsche in einer Gasse hinter dem Gericht gewartet. Mit unruhiger Hand hatte er die Zügel gehalten, seine Gedanken überschlugen sich, als er sich vorzustellen versuchte, was im Gebäude vor sich ging. In den vergangenen Wochen war sein Glaube auf eine harte Probe gestellt worden, und es war ihm schwergefallen zu glauben, dass ein liebender Gott eine solche Gräueltat an einer unschuldigen jungen Frau zuließ.
Und dann Florence. Seine tiefe Verzweiflung zeigte sich in den eingesunkenen Schultern und den Furchen in seinem Gesicht. Er war ein alter Mann, sein Glaube und seine Familie waren zertrümmert. Er hatte seine Tochter, seine Frau und Millicent enttäuscht – und es gab anscheinend nur wenig Hoffnung auf Wiedergutmachung. Er hatte doch nur eine liebevolle Familie und die Gewissheit von Gottes Segen gewollt, aber seine Träume waren vernichtet worden.
Er schrak aus seinen finsteren Gedanken auf, als die Tür aufgerissen wurde. Ein Blick in Susans Gesicht sagte ihm alles, und als er abstieg, um seiner Frau mit Millicent zu helfen, rief er im Stillen Gott an, sich ihrer zu erbarmen.
Jonathan schlenderte die Straße entlang zu dem kleinen Haus, das er auf dem Gelände des Regierungsgebäudes gemietet hatte. Es war sauber und gemütlich eingerichtet, und die breite Veranda an der Vorderseite war tagsüber in der Hitze angenehm kühl. Das Beste daran aber war die Anonymität, die es in den vergangenen Tagen gewährt hatte, in denen es wichtig gewesen war, nicht gesehen zu werden, so dass sein Erscheinen vor Gericht den gewünschten Effekt hatte.
Er warf seinen Hut, den Stock und die Aktentasche auf eine Bettcouch im Wohnzimmer und befahl seinem Diener, ihm einen Eistee nach draußen zu bringen. Nachdem er sich etwas Bequemeres angezogen hatte, ging er wieder auf die Veranda und setzte sich in einen Sessel.
Gouverneur Grose hatte ihn zu seiner Party an diesem Nachmittag eingeladen, um die Crème de la Crème der Kolonie kennenzulernen, doch er war einfach nicht in der Stimmung, herumzustehen und höfliche Konversation mit
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