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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Brandy und Pfeifenrauch war sie zum Lieblingsaufenthalt für die Passagiere geworden, die nicht seekrank waren und sich dort die langen Stunden der Untätigkeit vertrieben. Jonathan lugte durch das Fenster und sah, dass nur zwei Passagiere dort saßen. Die raue See forderte eben ihren Tribut.
    Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieg ihm der Geruch nach feuchten Hunden in die Nase. Die drei Windhunde hatten sich auf dem Boden ausgestreckt und bewegten sich nur, um sich zu kratzen oder nach lästigen Fliegen zu schnappen. Ihr Herr, der wohlhabende Naturwissenschaftler Joseph Banks, schwadronierte wie üblich, ohne Jonathan zur Kenntnis zu nehmen. Sydney Parkinson hingegen schenkte ihm ein kurzes Lächeln.
    Jonathan erwiderte es. »Hallo, Syd. Ziemlich stürmisch heute, selbst für Hunde.«
    Sydney versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie waren nämlich beide der Ansicht, dass Banks mit seinen Schimpftiraden auf Lieutenant Cook ihre Nerven strapazierte, dass seine Hunde zum Himmel stanken und ein ständiges Ärgernis waren. Dabei würde Sydney eine solche Meinung niemals in Hörweite seines Mentors und Wohltäters Banks äußern, dazu war er als Schotte aus Edinburgh viel zu pfiffig.
    Sydney war Quäker, und obwohl er fünf Jahre älter war als Jonathan, waren die beiden jungen Männer während der Reise enge Freunde geworden. Sydney war ein begnadeter Künstler – er war es gewesen, der die Miniaturen auf Jonathans Taschenuhr gemalt hatte. Joseph Banks war auf ihn aufmerksam geworden und hatte es ihm ermöglicht, als Assistent des offiziellen Künstlers Alexander Buchan an Bord der Endeavour zu kommen. Der Unglückliche war gestorben, noch ehe sie überhaupt Tahiti erreicht hatten, weshalb Sydney ständig mit botanischen Zeichnungen und naturwissenschaftlichen Exemplaren zu tun hatte. Es war eine verantwortungsvolle Aufgabe für einen so jungen Mann. Oft verbrachte er die ganze Nacht damit, eine Zeichnung fertigzustellen.
    Jonathan goss sich ein Glas Brandy ein, ging um Banks’ drei Windhunde herum, die den größten Teil des Bodens für sich beanspruchten, und setzte sich mit einem Buch in einen Sessel. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, da Banks seinen Monolog fortsetzte. Jonathan hatte Lust, sich einzuschalten und zu widersprechen, denn sein Gerede enthielt nur heiße Luft; Banks legte die überhebliche Selbstgerechtigkeit eines Menschen an den Tag, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Doch Jonathan wusste, dass er seine Ansichten nicht schätzen und das Ganze in einer hitzigen Debatte enden würde.
    Die Atmosphäre auf der Endeavour hatte sich verändert, als sie den südlichsten Zipfel von Neuseeland umrundeten. Banks hatte darauf bestanden, Cook solle die tiefen Fjorde an der Westküste befahren. Cook hatte jedoch erkannt, wie gefährlich es wäre, eine Westküste bei Westwind mit einem Segelschiff zu befahren. Sich in einen schmalen Fjord zu begeben, in dem Wendemanöver schwierig, wenn nicht sogar unmöglich waren, wäre gelinde gesagt töricht gewesen. Die Beschaffenheit des Fjords ließ auf felsigen Grund schließen; dieser würde einem Anker kaum Halt bieten, und Cook hatte abgelehnt, sein Schiff aufs Spiel zu setzen – zu Recht, wie Jonathan meinte.
    Banks’ Stolz war angekratzt, und obwohl er unterkühlt höflich blieb, wenn er mit Cook zu tun hatte, verpasste er keine Gelegenheit, kundzutun, Cook habe einfach nicht die Courage, diese verlockenden Wasserwege zu erforschen. Die anderen Passagiere wollten sich nur ungern auf den Streit einlassen und weigerten sich, Partei zu ergreifen. Cook ließ sich durch diese Angriffe äußerlich nicht beeindrucken – er ging einfach darüber hinweg.
    Jonathan trank seinen Brandy aus und klappte das Buch zu. Der Modergeruch in seiner Kabine war letztlich doch erträglicher als Banks’ Geschwafel. Er fing den Blick seines Freundes auf und zwinkerte ihm mitfühlend zu. Der arme Sydney, dachte er, als er erneut über die verdammten Hunde stieg und zur Tür ging. Banks hatte ihn mittlerweile in die Enge getrieben.
    April 1770, Mousehole
    Die Granitkirche St. Pol de Leon lag knapp eine Meile landeinwärts hoch auf dem Berg über dem Dorf; sie war umgeben von windgebeugten Bäumen, aufgerichteten Steinen und winzigen Katen aus Granit. Das in die Kirchhofmauer eingelassene keltische Kreuz war über tausend Jahre alt. Über den fast wolkenlosen Himmel kreisten schreiende Möwen, und in der Ferne weit unten glänzte das Meer

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