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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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die Fahrt über Tahiti hinaus noch weiter fortsetzten. Das Wetter war entsetzlich gewesen: Sie waren infolge widriger Windverhältnisse wiederholt vom Kurs abgekommen, und bis auf zwei Monate auf Reede in einer geschützten Bucht der Nordinsel von Neuseeland hatten sie seither nur gegen Wind und See angekämpft. Das Wetter war für diese südlichen Gewässer außergewöhnlich, selbst die Matrosen waren erschöpft von dem ständigen Kampf, das Schiff über Wasser zu halten.
    Tief seufzend stand Jonathan auf und schaute sich in dem überfüllten Raum um, der bis in alle Ecken mit Kisten und Kästen vollgestopft war. Angesichts der Tatenlosigkeit der vergangenen Monate spürte er eine innere Unruhe; der Gestank nach Krankheit und die beengte Atmosphäre der winzigen Kabine verursachten ihm Kopfschmerzen. Er brauchte frische Luft und Bewegung.
    Er griff nach einem schweren Überzieher und ging leise aus der Kabine. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, überfielen ihn Wind und Regen, zerrten an seinen Kleidern und zerzausten sein Haar. Unsicher schritt er über das verlassene Deck und genoss beinahe die Nadelstiche des Regens. Alles war besser, als in der schrecklichen Kabine zu sitzen; außerdem wusch der Regen den Gestank nach Krankheit ab, der ihnen allen neuerdings anzuhaften schien.
    Nach vielen windigen Monaten, in denen sie Neuseeland kartographiert hatten, waren sie schließlich in einer geschützten Bucht vor Anker gegangen, hatten die Vorräte erneuert und waren vor achtzehn Tagen wieder in See gestochen. Das schlechte Wetter verfolgte sie, der Wind blies unablässig, und der Seegang war hoch. Sie segelten nach Westen und nahmen Kurs auf Van Diemen’s Land und die Küste von New Holland. Von dort aus würden sie nach Norden mit Kurs auf Ostindien und England segeln. Das Abenteuer war fast zu Ende.
    Die Endeavour bockte und stampfte. Die Seeleute hatten größte Mühe, das Großsegel einzuholen, damit die Last auf Fock, Besan- und Kreuzstagsegel lag, während Gischt und Regen über das Deck fegten und sie bis auf die Haut durchnässten.
    Er klammerte sich an die Reling, die Füße fest verankert, so dass er die Schiffsbewegungen mitmachen konnte. Die stürmischen Gewässer erinnerten ihn an Cornwall, wie dort das Meer in die Häfen spülte und an die Klippen donnerte. Hier aber gab es keine Klippen, kein Land war zu sehen, und er bekam es wieder mit der Angst zu tun, wie schon einmal, als sie beinahe an einem großen Riff vor Neuseeland gesunken waren. Sie waren weit entfernt von der Zivilisation – weit weg von der Heimat –, und die schiere Größe und Macht des Meeres zeigten ihm, wie klein und verletzlich sie alle waren.
    In letzter Zeit hatte er überlegt, wie er sich nach seiner Rückkehr in ein normales Leben einfügen würde. Nach dieser Reise würde ihm dieses Leben nüchtern vorkommen; er konnte sich nicht vorstellen, in Cornwall das Anwesen der Familie zu verwalten, seine Bildung in London zu erweitern oder mit Erreichen der Volljährigkeit seinen Platz im Oberhaus einzunehmen.
    Über den langweiligen Abrechnungen des Anwesens zu sitzen, reizte ihn ganz und gar nicht, und ihm war klar, dass diese Reise nur die erste von vielen wäre. Er war den Verlockungen der Freiheit des Reisens erlegen, und ungeachtet dessen, was man von ihm als Lord Jonathan Cadwallader erwartete, plante er, Susan zu heiraten. Gemeinsam würden sie ein neues Leben weit weg von den geisttötenden Gepflogenheiten in England beginnen.
    Die Erinnerung an Susans Lächeln, an ihr langes, wehendes Haar und an ihre schönen blauen Augen entfachten in ihm die Sehnsucht, sie wiederzusehen. Das Leben eines Forschers musste nicht einsam sein, und seine Susan war schon immer neugierig auf das gewesen, was hinter dem Horizont lag. Die Versprechen, die er damals in Mousehole gegeben hatte, würde er nicht brechen, schwor er sich.
    Er senkte den Kopf, als ihm der Regen ins Gesicht schlug. Er war kein Kind mehr, genauso wenig wie Susan – und das war es, worauf es ankam. Es war an der Zeit, die Chance auf ein gutes Leben zu zweit zu ergreifen und auf alle Konventionen zu pfeifen. Er seufzte tief, denn er wusste, welchen Ärger das auslösen würde. Warum nur musste das Leben so kompliziert sein?
    Er wandte dem Meer den Rücken zu und ging vorsichtig über das Deck zu der kleinen Kabine, die für Offiziere und Passagiere eingerichtet worden war. Mit ihren bequemen Stühlen, der gut bestückten Bibliothek und dem Geruch nach Leder,

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