Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
flüsterte Jamie, während sich alles um sie herum zu drehen begann.
    »Hey, das hat sie sich selbst zuzuschreiben, nach all den Gemeinheiten, die sie dir angetan hat.«
    »Du hast sie umgebracht.«
    »Es war ein Unfall, Jamie.«
    »Ein Unfall?«
    »Ich wollte dich bloß schützen.«
    »Mich schützen?«
    »Sie hat dich erkannt, Jamie. Ich habe versucht, mit ihr zu reden. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass ich noch nie von einer Frau namens Jamie gehört hätte, aber sie hat mir
bloß ins Gesicht gelacht. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass wir uns nur nehmen wollten, was dir rechtmäßig zusteht, und dann hat sie angefangen zu schreien und gesagt, sie würde die Polizei rufen und dafür sorgen, dass du für den Rest deines Lebens hinter Gittern landest. Und das konnte ich doch nicht zulassen. Also habe ich sie geschlagen. Aber die alte Hexe hat immer weitergekreischt. Also habe ich sie so lange geschlagen, bis sie aufgehört hat.«
    »Du hast mir erzählt, dass du sie überzeugt hast …«
    »Du warst doch völlig hysterisch. Was sollte ich dir denn sonst erzählen? Du hast den ganzen Mist doch sowieso nicht geglaubt. Das weiß ich.«
    Jamie erkannte, dass er Recht hatte, was sie endgültig verstummen ließ. Sie hatte die Wahrheit die ganze Zeit gewusst. Welche andere Wahrheit konnte es geben?
    »Ich habe es für dich getan, Jamie-Girl.«
    Jamie presste die Stirn ans Seitenfenster, schloss die Augen und betete darum, in Vergessen zu versinken.

23
     
     
    Lily saß mit gezücktem Stift über einem leeren Blatt Papier am Küchentisch und versuchte, die wahllosen Gedanken zu ordnen, die ihr durch den Kopf schwirrten wie ein Schwarm lärmender Insekten. Sie bemühte sich, ihnen Struktur und Richtung zu geben und so etwas wie Dramatik einzuhauchen. Aber wie viel Spannung steckte schon in einem Sonntagnachmittag, den man mit zwei fünfjährigen Jungen im Kino verbracht hatte? Es wäre natürlich etwas anderes, wenn sie eine geisteskranke, triebgestörte Babysitterin wäre und einer der beiden Jungen der Spross eines Außerirdischen oder ein frühreifer Serienkiller. Aber waren diese Ideen nicht schon umgesetzt worden?
    Obwohl es darauf gar nicht ankam. Wenn man hundert Schriftstellern dieselbe Idee geben würde, kämen hundert verschiedene Geschichten dabei heraus, hatte einer ihrer Lehrer in Kreativem Schreiben immer gesagt. Eine gute Idee war immer von Vorteil, aber wie man sie gestaltete, war noch viel entscheidender. Und im Augenblick gestaltete sie leider gar nichts groß.
    Halte dich an das, was du kennst, dachte sie sich. »Nun, Triebstörungen kenne ich auf jeden Fall.« Oder zumindest sexuelle Frustration, korrigierte sie sich stumm und überlegte, wie lange es her war, seit sie zum letzten Mal Sex hatte. Wem wollte sie etwas vormachen, fragte sie sich. Sie wusste ganz genau, wie lange es her war. Ihre Gedanken flogen zurück zu jenem Märzabend vor vierzehn Monaten, bis sie aufsprang und sich weigerte, weiter daran zu denken. Sie ging zum Waschbecken, füllte ein Glas mit kaltem Wasser,
obwohl sie gar keinen Durst hatte, und starrte aus dem Fenster in den dunkler werdenden Himmel. Es war schon fast acht. Die Tage wurden definitiv länger. Die Zeit verging so schnell. Ehe sie sich versah, würde der Sommer hier sein. Und dann der Herbst. Und dann ein weiterer Winter. Ein weiterer März. Wie viel Zeit durfte sie noch verschwenden? »Irgendwann muss ich mein Leben weiterleben«, verkündete sie in die Stille hinein. »Guck nach vorn«, sagte sie sich. »Lass dich vögeln.« Sie fragte sich, was Jeff Dawson gerade machte und wie er wohl nackt aussah. »Oh bitte«, jammerte sie, kippte das Glas Wasser herunter, als wollte sie alle glimmenden Feuer in sich löschen, und kehrte auf ihren Platz am Küchentisch zurück. Sie nahm ihren Stift fester als nötig in die Hand, sodass sich der Nagel ihres Zeigefingers schmerzhaft in den Mittelfinger bohrte, dachte kurz nach, schrieb ein paar Wörter und unterstrich sie mit großer Sorgfalt.

Weiterleben Von Lily Rogers
    »So weit, so gut.« Sie starrte zur Decke. »Und was jetzt?«
    Wahrscheinlich sollte sie nach Michael sehen, dachte sie und war schon halb aufgestanden, als ihr einfiel, dass sie erst vor zehn Minuten nach ihm gesehen hatte. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und schlief wie ein Murmeltier. Sie blickte auf die Uhr und stellte fest, dass seit ihrem letzten Blick nur eine Minute vergangen war. Ich könnte Fernsehen gucken, dachte sie.

Weitere Kostenlose Bücher