Traeume Suess, Mein Maedchen
wissen.«
Jamie lächelte zögernd.
»So ist’s besser«, sagte Brad. »Das sieht meinem Mädchen schon viel ähnlicher.« Er grabschte mit einer Hand nach ihrem Oberschenkel.
Jamie zuckte sofort zurück.
»Hey, ganz locker. Ich will hier gar nichts anfangen.« Es gelang ihm, gleichzeitig überrascht und verletzt auszusehen. »Ich dachte, das hätten wir hinter uns.«
»Vermutlich brauche ich einfach ein bisschen Zeit«, sagte Jamie beinahe flehend.
»Klar. Wir haben Zeit.« Er grinste. »Mindestens bis heute Abend.«
Bei der bloßen Andeutung drehte sich Jamie der Magen um.
»Alles in Ordnung?«, fragte Brad.
»Meinst du, wir könnten demnächst irgendwo halten? Ich könnte einen Schluck Wasser gebrauchen.«
»Auf dem Rücksitz ist Cola. Die hab ich gekauft, als ich getankt habe.«
»Wasser wäre mir wirklich lieber.«
»Vielleicht später.«
Jamie schloss die Augen, zählte bis zehn und, als sie das nicht beruhigte, noch einmal bis zwanzig. »Können wir vielleicht ein bisschen Musik hören?«, fragte sie, als sie sich wieder halbwegs im Griff hatte. Irgendwann hatte er das Radio abgedreht. Ihr war die Stille willkommen gewesen. Jetzt fühlte sie sich erdrückend an. So als ob sie sie füllen sollte.
Brad drückte auf einen Knopf, und das Radio erwachte zum Leben. Flotte Countryklänge von Shania Twain erfüllten den Wagen. Jamie summte mit und gab vor, in den geistlosen Text vertieft zu sein. »›Up, up, up‹«, sang Shania.
»Weißt du, dass das nicht ihr richtiger Name ist?«, fragte Brad.
»Nicht?«
»Nein. Sie heißt in Wahrheit Eileen. Schwer zu glauben, was? Kommt aus irgendeinem kleinen Kaff in Nordontario. Ihre Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben, und sie hat ihre Brüder und Schwestern ganz allein großgezogen.«
Jamie nickte. Die Geschichte klang vage vertraut. »People -Magazin?«
»Entertainment Tonight.«
»Siehst du viel fern?«
»Geht so. Und du?«
»Mehr, als ich sollte.«
»Sagt wer? Deine Mutter und deine Schwester?«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter je Fernsehen geguckt hat. Meine Schwester behauptet, dass sie nur PBS sieht.«
»Sie lügt.«
»Das glaube ich nicht. Sie ist Anwältin und …«
»Was? Anwälte lügen nie?«
»Ich meinte nur, dass sie neben ihrer Kanzlei und ihrer Familie nicht viel Zeit zum Fernsehen hat, deshalb sucht sie sich die Sendungen genau aus.«
»Unsinn.«
Jamie zuckte die Achseln. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich einmal in der Position wiederfinden würde, ihre Schwester verteidigen zu müssen. Oder es zu wollen.
»Wie nennt man hundert Anwälte auf dem Meeresboden?«, fragte Brad und lächelte schon über die folgende Pointe.
Jamie schüttelte den Kopf. Sie wusste es nicht, und es war ihr egal.
»Einen Anfang.« Brad lachte.
Jamie fragte sich, ob ihre Schwester den schon kannte. Cynthia hasste Anwaltswitze. Sie meinte, sie wären nicht besser als rassistische Beleidigungen. »Meine Schwester sagt, dass jeder Anwälte hasst, bis er einen braucht.«
»Und danach hasst er sie noch mehr.« Brad holte tief Luft. »Diese verlogenen, Dreck fressenden Schweine. Irgendjemand sollte sie alle zusammentreiben und erschießen.«
Die Heftigkeit seiner Feststellung ließ Jamie unwillkürlich leise aufstöhnen.
»Okay, deine Schwester erschießen wir nicht«, sagte er sanfter.
Sie versuchte zu lächeln. »Du klingst so, als hättest du schlechte Erfahrungen mit Anwälten gemacht.«
»Jeder hat schlechte Erfahrungen mit Anwälten gemacht.«
»Ich glaube, meine Schwester ist eine sehr gute Anwältin.«
»Ach ja? Woher willst du das wissen? Hast du sie je vor Gericht gesehen?«
»Sie tritt nicht vor Gericht auf. Sie ist keine Strafverteidigerin.« Jamie fiel ein, dass sie am Wochenende mit ihr verabredet gewesen wäre, und sie erinnerte sich an den scheinbar unendlich lange zurückliegenden ersten Tag ihrer Reise, an ihre falschen Hoffnungen, ihre verlorene Unschuld.
»Was für eine Anwältin ist sie denn?«
»Für Handelsrecht, Steuerrecht und dergleichen.«
»Klingt ja unglaublich aufregend.«
»Sie scheint es zu mögen.«
»Sie mag das Geld.«
»Jeder mag Geld.«
»Da sprichst du ein wahres Wort.«
Wahr, dachte Jamie. Was bedeutete das? War irgendetwas von dem, was er ihr in den letzten paar Tagen erzählt hatte, wahr?
Hast du deine Computerfirma wirklich mit fabelhaftem Profit verkauft? Hast du überhaupt je eine Computerfirma besessen? Hast du wirklich im Breakers gewohnt, weil dein Mietvertrag
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