Traeume Suess, Mein Maedchen
war.
»Nach der Scheidung hat meine Schwiegermutter allen Schmuck zurückverlangt, den ihr Sohn mir geschenkt hatte, einschließlich des Eherings. Sie sagte, es wären Familienerbstücke, und sie würde mich verklagen, wenn ich sie nicht zurückgebe.«
»Reizend.«
»Fand ich auch.«
»Und hast du ihn zurückgegeben?«
»Natürlich. Ich wollte die verdammten Klunker sowieso nicht behalten. Bis auf ein Paar Goldohrringe mit Perlen, die ich ständig getragen habe. Die zurückzugeben, hat mir wirklich wehgetan.« Jamie zog ein verdrießliches Gesicht. Warum redeten sie über ihren Exmann und seine Mutter? Das Bett war zwar extra breit, aber immer noch nicht breit genug für sie alle. »Egal. Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie sind aus meinem Leben verschwunden. Ich muss sie nie wiedersehen.«
»Du kannst tun und lassen, was du willst«, sagte Brad.
»Bei dir hört sich das so leicht an.«
»Es ist leicht.«
Jamie schloss die Augen, legte den Kopf auf seine Brust und ließ sich von seinen gleichmäßigen Atemzügen einlullen.
»Hast du je daran gedacht, einfach ins Auto zu steigen und zu sehen, wohin die Straße dich führt?«, fragte er.
»Daran denke ich dauernd«, sagte Jamie.
3
Sie träumte von der Beerdigung ihrer Mutter.
Aber in ihrem Traum waren die Sargträger nicht Freunde und Kollegen ihrer Mutter, sondern die diversen Ehefrauen ihres Vaters, jede in einem Brautjungfernkleid aus blass malvenfarbenem Chiffon und mit einem Strauß wohlriechender weißer Lilien in der Hand. Ihre Schwester stand neben dem Sarg, aufrecht und würdevoll in dem dunkelvioletten Kleid einer verheirateten Brautführerin, und blickte in regelmäßigen Abständen auf die Uhr. Sie wartet auf mich, begriff Jamie, und versuchte, sich unter den Trauernden auszumachen.
»Ich komme«, versuchte sie vom Rand ihres Bewusstseins zu rufen. »Wartet auf mich.« Jamie sah sich auf die Menge zulaufen, als der Sarg gerade langsam in die Grube hinabgelassen wurde. Oh mein Gott, ich bin nackt, wurde ihr mit einem Mal klar, und sie versuchte, ihre Blöße vor den entsetzten Blicken ihrer Schwester zu verbergen. Als sie über einen Stein stolperte und durch die Luft gewirbelt wurde, klappte der Sargdeckel weit auf, um sie zu empfangen.
In dem weißen, mit Samt ausgekleideten Sarg öffnete ihre Mutter die braunen, gold gefleckten Augen und sah sie vorwurfsvoll an. »Bist du jetzt so weit?«, fragte sie.
Jamie stieß einen lauten Schrei aus und fuhr im Bett hoch, Schweißperlen kullerten zwischen ihren nackten Brüsten hinunter, und ihr Atem ging schwer und unregelmäßig. »Verdammt«, murmelte sie, strich sich das Haar aus der Stirn und versuchte, Kontakt zu ihrer Umgebung und zur Realität herzustellen. Die Umgebung war leicht auszumachen:
Sie befand sich im Schlafzimmer ihrer Wohnung in ihrem überbreiten Doppelbett. Die Realität war schon schwerer zu akzeptieren: Sie war eine 29-jährige Frau in einer beruflichen Sackgasse mit einem Exmann in Atlanta, einem verheirateten Liebhaber im Krankenhaus und einem praktisch Fremden in ihrem Bett.
Aber Brad Fisher lag nicht mehr neben ihr, wie sie jetzt begriff. Sie wusste nicht recht, ob sie lachen oder weinen sollte. Hatte sie den attraktiven Fremden auch nur geträumt?
Das Pochen zwischen ihren Beinen und der Abdruck von Brads Kopf auf dem Kissen neben ihr überzeugten sie schnell davon, dass er real gewesen war. »Verdammt«, sagte sie noch einmal und lauschte auf mögliche Geräusche im Nebenzimmer, bevor sie das Gesicht in den Händen vergrub, weil es keinen Zweifel mehr gab, dass er fort war.
Einerseits war sie erleichtert. So musste sie zumindest das verlegene Schweigen nicht ertragen, die falschen Versprechen, sich bald wiederzusehen, den schmerzlichen Kuss auf die Stirn, bevor er aus der Tür hastete. All das hatte er ihnen erspart. Sie sollte also dankbar sein. Andererseits konnte sie nicht anders, als sich verlassen, benutzt und sogar ein wenig missbraucht zu fühlen. Wieder mal. »Sei nicht albern!«, ermahnte sie sich. Du hast Brad Fisher ganz genauso benutzt wie er dich. Wie ging noch die alte Redensart? Über einen Mann kommt man am besten hinweg, wenn man unter einem neuen liegt. Sie hatte doch bestimmt nicht erwartet, dass aus einem One-Night-Stand eine hingebungsvolle Liebe fürs Leben werden würde.
Außer, dass sie tief in ihrem Innern genau das getan hatte.
Jamie fragte sich, wann genau Brad aus ihrem Bett und ihrem Leben gekrochen war. War er gegangen,
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