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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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ich Ihnen das alles erzähle. Ich meine, ich habe es sonst niemandem erzählt, keinem Menschen, und ich kenne Sie noch nicht mal.«
    Paul inhalierte. »Gerade weil Sie mich nicht kennen, würde ich sagen.«
    Sie schwiegen kurz. Elaine fischte eine Olive aus ihrem Wodka. Paul sah zu, wie sie sie auf ihre Zunge legte.
    »Und?«
    »Na ja – wie soll ich sagen, es ist verrückt –, je leidenschaftlicher er im Bett wurde, ich meine Hanyaki, und er war echt leidenschaftlich – er hat eine Wohnung am Gloucester Place, falls Ihnen das etwas sagt –, desto unerträglicher wurde er bei den Proben. Als wäre er zwei verschiedene Personen. Er war so … also, solchen Sex hatte ich noch nie gehabt. Na ja, ich hatte auch noch nicht sehr viele Freunde. Weit besser als mit John.« Sie runzelte die Stirn. »John ist ehrlich gesagt ein bisschen schnell. Unddann, auf der Bühne, war er total ekelhaft zu mir, vor allen anderen. Er war echt fies.«
    »Komisch.«
    »Das hat mich rasend gemacht.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Paul überlegte. »Vielleicht wollte er nicht, dass die anderen merkten, dass Sie seine Favoritin waren.«
    »Aber alle wussten Bescheid! Sie wussten, dass wir miteinander ins Bett gingen. Er hat es überhaupt nicht versteckt. Im Gegenteil.«
    Während sie sprach, kam Paul der Gedanke, dass dies genau die Art von Kommunikationsrätsel war, die Albert James so gerne analysierte. Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht hat er sich über sich selbst geärgert, weil er Arbeit und Vergnügen miteinander vermischt hatte. Er wollte seine Autorität wiederherstellen.«
    »Ach, ich weiß nicht.« Elaine stieß einen Seufzer aus, der tief aus ihrem Bauch zu kommen schien. »Tatsache ist, dass John mir genau an dem Tag, als es anfing, oder vielmehr am Tag davor, einen Heiratsantrag gemacht hat.«
    Paul lachte. »Das ist echt gut. Und wie hat er es herausgefunden? John, meine ich.«
    »Er hat gesehen, wie Hanyaki seinen Arm um meine Taille gelegt hat, als wir in einen Pub gegangen sind. Sagt er jedenfalls.«
    »Weiter nichts?« Paul zog eine Augenbraue hoch. »Ich nehme an, Sie haben alles abgestritten.«
    »Natürlich. Immer wieder.«
    »Also weiß John im Grunde gar nichts, oder? Ein Arm um die Taille beweist gar nichts. Ich könnte auch meinen Arm um Sie legen, wenn wir hier rausgehen«, sagte Paul, »oder wenn wir an der Tür stehen und den Regen betrachten, und jemand könnte uns sehen und sich alles Mögliche vorstellen, aber es müsste überhaupt nichts bedeuten. Niemand bringt sich um, weil er gesehen hat, wie jemand einen Arm um Ihre Taille gelegt hat.«
    »Nein«, stimmte Elaine zögernd zu. Mit einem tiefen Seufzen fügte sie hinzu: »Aber er schien es zu wissen. Wirklich zu wissen. Er war ganz sicher.«
    Paul schaute ihr in die Augen. »Und haben Sie nicht daran gedacht, die Gelegenheit zu nutzen, um ihn zu verlassen?«
    »John?« Sie starrte auf den Tisch und runzelte die Stirn. »Doch, ich habe daran gedacht. Aber ich weiß nicht, ich … ich mag John irgendwie. Es gibt irgendwie uns , wenn ich mit ihm zusammen bin. Und Hanyaki hat selber immer gesagt, ich wäre verrückt, wenn ich ihn verlassen würde, John, meine ich. Er meint, es sei sehr ungewöhnlich, dass ein junger Mann so genau weiß, was er will.«
    Wieder lächelte Paul. Dieses Terrain war ihm wohlbekannt.
    »Aber jetzt schickt er Ihnen eine SMS nach der anderen aus London, damit Sie zurückkommen.«
    Er machte eine nickende Geste in Richtung des glänzenden kleinen Telefons, das neben ihrem Ellbogen lag und das sie alle paar Minuten auf- und zuklappte.
    »Nicht meinetwegen!«, jammerte Elaine. »Nur wegen seines Stücks. Übernächsten Samstag soll die Premiere sein. In Hammersmith. Und übrigens, es ist schrecklich.«
    »Das Stück? Von wem ist es denn?«
    »Von ihm. Und einem anderen Japaner. Anscheinend ein berühmter Romanautor. Die Handlung spielt auf einem Flughafen, aber man weiß nicht, auf welchem. Es gibt fünf oder sechs Geschichten, die miteinander verwoben sind – Passagiere, Putzfrauen, Servicepersonal; es gibt Liebe, verloren gegangene Gepäckstücke, das ganze Programm – und dann werden alle von einem Selbstmordattentäter in die Luft gejagt. Zurzeit schreibt jeder über Selbstmordattentäter. Schrecklich.«
    »Wenn er Sie für sein Stück wiederhaben will, dann können Sie ja nicht so ganz schlecht sein, oder?«
    »Ich weiß nicht«, jammerte Elaine. »Er will mich für dasStück, aber ich habe ja nur eine Nebenrolle, ich spiele die

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