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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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Namen beschäftigt, Sir.«
    John nahm ein normales Taxi zurück zur Wohnung. Das Mädchen ließ ihn ein. Es schien sinnlos, von seinen Abenteuern zu erzählen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es immer noch früh war, erst Mittagszeit. Ich leide unter Jetlag, dachte er. Er ging zum Kühlschrank und stellte fest, dass er fast leer war,abgesehen von zwei Sechserpacks Coca-Cola. Er lächelte. Sogar unter diesen Umständen hatte Mum an seine Cola gedacht.
    John machte eine Dose auf, entdeckte noch ein paar trockene Kekse und etwas Käse und setzte sich damit aufs Sofa. Die Möbel waren westeuropäisch, aber es gab nur wenige. Das war typisch für die James’. Auf keiner ihrer vielen Reisen hatten sie sich der einheimischen Lebensweise angepasst; die Kulturen, die sie studierten und unterstützten, prallten an ihnen ab; doch auf der anderen Seite schienen sie auch die Bequemlichkeiten, die andere Exilanten unverzichtbar fanden, nicht zu brauchen. John mampfte vor sich hin. Das Einzige, was in diesem Raum voll wirkte, waren die Wände, die von oben bis unten mit Büchern, Aktenordnern, alten Audiokassetten und sorgfältig beschrifteten Videos bedeckt waren. Ich werde nach einem Fotoalbum suchen, beschloss John.
    Er fand keins. Die Ordner enthielten wissenschaftliche Fachzeitschriften, viele davon als Fotokopie. Es gab Notizen, ganze Aktenordner voll davon, sowohl getippte als auch handgeschriebene. Einige waren sehr alt. Die Videos hatte sein Vater gedreht, darauf würden keine Bilder von ihm zu finden sein; ebenso wenig würde auf den Kassetten seine Stimme zu hören sein. Das wusste John. Die Familie brachte seit Generationen Wissenschaftler hervor. Sein Vater war einer der Unbedeutendsten von ihnen gewesen, viel zu versponnen, um es wirklich weit zu bringen. Ein Herr der Luftschlösser. Ich werde ihn überflügeln, dachte John. Vielleicht habe ich das bereits getan.
    Schließlich fand er ein kleines, schwarz-weißes Autorenfoto. Beiträge zu einer Erkenntnistheorie des Instinkts , hieß Dads Artikel in der Zeitschrift. John starrte das körnige Foto an. Das Papier war dünn und vergilbt. Auf dem Gesicht seines Vaters lag ein sarkastisches Lächeln. John schaute genauer hin. Er erinnerte sich an dieses Lächeln. Oder war es nur ein gequältes Verziehen der Lippen? Er ging mit dem Foto ans Fenster, doch in demgrellen indischen Licht schien das Bild sich aufzulösen. Es war nicht zu erkennen. Aber ob nun deutlich oder undeutlich, das war definitiv Dad auf dem Foto. Das strähnig fallende Haar, das leicht schroff wirkende Kinn. Draußen stieg in der Ferne hinter den Wohnblöcken eine Rauchsäule auf, so als würden am Stadtrand Gummireifen verbrannt. John ging duschen.

2
    Als Helen James nach einer Acht-Stunden-Schicht in der Klinik nach Hause kam, zeigte ihr Hausmädchen aufgeregt auf die Gästezimmertür und legte dann einen Finger auf den Mund. »Mr. John ist hier! Ihr Sohn, Madam!« Helen öffnete die Tür zum Gästezimmer. John lag vollständig angezogen auf dem Bett. Das attraktive Gesicht war vom Schlaf geglättet, ein blond behaarter Unterarm lag auf dem Kopfkissen. Was für eine erstaunliche Erscheinung, dachte sie. Er hatte wahrhaftig keine Ähnlichkeit mit ihr oder Albert, so geschmeidig und entspannt, wie er war.
    Vor zwei, drei Tagen war Helen sehr versucht gewesen, ihrem Sohn gar nichts zu sagen. Wozu es jemandem erzählen? Sie hätte ihre Ehe viel lieber alleine zum Abschluss gebracht. Eine Trauerfeier mit ihr selbst als einzigem Trauergast wäre ihr wesentlich lieber gewesen, oder gar keine Trauerfeier, nur die bloße Einäscherung. Im Traum, vor knapp drei Wochen, hatte sie sich selbst gesehen, wie sie den Leichnam ihres Mannes zu einem Scheiterhaufen am Fluss trug – er war überhaupt nicht schwer –, ihn am Wasser in den Schlamm legte, während die Bestattungshelfer das Holz aufhäuften, und wie sie dann seine Hand hielt und mit ihm sprach, während er knisternd verbrannte und der Fluss an ihnen vorbeifloss. Ein seltsam indischer Traum, dachte sie. Als sie aufwachte, kam er gerade schlurfend aus dem Bad zurück. Sie hätte ihn am liebsten selbst eingeäschert, den Sarg eigenhändig ins Feuer geschoben, die Asche zusammengefegt, im Rock ihres Kleides gesammelt und dann versteckt, an einem Ort,den nur sie allein kannte. Ja, davon hatte sie geträumt, auch am Tage. Aber am Morgen nach der langen, schrecklichen letzten Nacht hatte sie John auf seinem Handy angerufen. »Dein Vater ist heute Morgen

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