Träume wie Gold: Roman (German Edition)
DiCarlo, dachte er und ließ das Bild von seinem Verbindungsmann in New York vor seinem inneren Augen erscheinen. Jung, intelligent, ehrgeizig. Und alles andere als dumm, ging es Finley durch den Kopf. Keinesfalls dumm genug, um ein falsches Spiel mit ihm zu versuchen. Dennoch würde er für diesen Irrtum bezahlen müssen, und das nicht zu knapp.
»Verbinden Sie mich mit DiCarlo.«
»Jawohl, Sir.« Erleichtert, dass Finleys Wut ein neues Ziel gefunden zu haben schien, eilte Winesap ans Telefon.
Während er die Nummer wählte, trat Finley wütend ein paar Porzellanscherben in den Teppich. Dann griff er in die Kiste und schlug auch noch den restlichen Inhalt kurz und klein.
2. Kapitel
Jed Skimmerhorn hatte Lust auf einen Drink. Irgendeinen Drink. Auf einen Whisky, der ihm in der Kehle brennen würde, auf die sanfte Wärme eines Brandys oder auf ein frisches kaltes Bier. Doch damit würde er warten müssen, bis er alle Kisten die wackelige Hintertreppe hinauf in sein neues Apartment geschleppt hatte.
Nicht, dass ihre Anzahl unüberschaubar gewesen wäre. Sein alter Kollege Brent hatte ihm bereits geholfen, das Sofa, die Matratze und die schwereren Möbelstücke hinaufzutragen. Übrig geblieben waren einige Bücherkisten sowie Kartons mit Küchenutensilien und anderem Kleinkram. Er wusste eigentlich nicht genau, warum er das alles mitgenommen hatte. Es wäre doch so viel einfacher gewesen, diese Dinge ebenfalls einzulagern.
Doch das war nicht das Einzige, worüber er sich in diesen Tagen nicht im Klaren war. Er konnte es weder Brent noch sich selbst erklären, warum er ans andere Ende der Stadt ziehen wollte, raus aus dem großen alten Haus in ein kleines Apartment. Es musste irgendetwas mit einem Neubeginn zu tun haben. Und man konnte nichts Neues beginnen, solange man das Alte nicht beendet hatte.
Jed hatte in letzter Zeit etliches beendet.
Seinen Abschied einzureichen, war der erste Schritt gewesen – und wahrscheinlich der schwerste. Der Polizeichef hatte endlose Gegenargumente vorgebracht, sein Abschiedsgesuch nicht akzeptiert und ihn schließlich auf unbefristete Zeit beurlaubt. Was auf dasselbe hinauslief, fand Jed. Jedenfalls war er kein Cop mehr, konnte nie wieder einer sein. Welcher Teil von ihm auch immer hatte dienen und beschützen wollen, er war ausgebrannt.
Er war nicht deprimiert, wie er dem Psychiater seiner Dienststelle erklärt hatte. Er hatte einen Schlussstrich gezogen. Er wollte auch nicht zu sich selbst finden. Er wollte
nur allein gelassen werden. Vierzehn Jahre seines Lebens hatte er der Polizei gewidmet. Das musste genügen.
Jed drückte mit dem Ellbogen die Klinke seiner Wohnungstür herunter und stellte die Kiste, die er auf dem Arm hatte, dazwischen, damit sie nicht wieder zufiel. Dann schleifte er die zweite Kiste über das Parkett ins Zimmer, bevor er wieder durch den schmalen Hausflur zur Hoftür ging, die gleichzeitig sein Eingang war.
Von seinem Nachbarn auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors hatte er bislang noch keinen Laut gehört. Der exzentrische alte Herr, bei dem er den Mietvertrag unterschrieben hatte, hatte ihn wissen lassen, dass die Wohnung ebenfalls bewohnt, der Mieter jedoch so leise wie eine Maus sei.
Und das schien tatsächlich so zu sein.
Als Jed nun die Treppe hinunter in den Hof ging, stellte er missbilligend fest, dass das Geländer nicht einmal dem Gewicht eines unterernährten Dreijährigen Stand halten würde. Und die Stufen waren aufgrund des Schneeregens glatt wie Schmierseife. Im Hof hinter dem Haus war es beinahe totenstill. Und obwohl seine Wohnung auf die belebte South Street hinausging, glaubte Jed nicht, dass ihn der Straßenlärm, die Geschäfte oder die vorbeiflanierenden Touristen stören würden. Die Wohnung lag nahe genug am Fluss, sodass er stets einen einsamen Spaziergang unternehmen konnte, wenn er das Bedürfnis nach Ruhe verspürte.
Jedenfalls war diese Gegend das krasse Gegenstück zu den manikürten Vorgärten am Chestnut Hill, wo die Familie Skimmerhorn zweihundert Jahre lang gelebt hatte.
Im trüben Licht konnte er die bunten Lichterketten in den Fenstern der Nachbarhäuser sehen. Ein riesiger Santa Claus aus Plastik war zusammen mit acht Rentieren auf eines der Dächer montiert worden, sodass sie jetzt Tag und Nacht dazu verdammt waren, auf die Erde herabzufliegen.
Das erinnerte Jed daran, dass Brent ihn zum Weihnachtsessen eingeladen hatte; zu einem großen, lärmenden Familienfest, das Jed als Kind nicht erlebt
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