Träume wie Gold: Roman (German Edition)
murmelte Dora und überlegte, ob die Möglichkeit bestand, ihren Vater zwischen den Auftritten im Theater anzurufen. »Außerdem wollte es Dad gern übernehmen.«
»Dann wundere dich bloß nicht, wenn du demnächst Tür an Tür mit einem Psychopathen oder einer Mutter mit drei schreienden Kleinkindern und einem Trupp von tätowierten Liebhabern hausen wirst.«
Dora schürzte die Lippen. »Ich habe Dad ausdrücklich gesagt, dass Psychopathen und Tätowierte nicht in Frage kommen. Ich dachte vielmehr an jemanden, der gut kochen kann und seine Hausherrin damit bei Laune zu halten versucht, indem er ihr in regelmäßigen Abständen Selbstgebackenes auf den Fußabtreter stellt. Ach, weil wir gerade davon reden, hast du Hunger?«
»Ja. Ich könnte mich tatsächlich für ein letztes beschauliches Mahl erwärmen, bei dem ich niemandem das Fleisch klein schneiden muss.«
Ruckartig scherte Dora nach links aus, um abzubiegen, wobei sie einem heranbrausenden Chevy die Vorfahrt nahm. Das darauf folgende empörte Gehupe ignorierte sie lächelnd. In Gedanken war sie bereits mit dem Auspacken ihrer Errungenschaften beschäftigt. Und zuallererst würde
sie einen perfekten Platz für das farbenfrohe Bild finden, beschloss sie erfreut.
Hoch oben im glitzernden Turm eines silbernen Wolkenkratzers, von wo aus er die überfüllten Straßen von Los Angeles überblicken konnte, genoss Edmund Finley seine allwöchentliche Maniküre. An der Wand gegenüber seines massiven Rosenholzschreibtische flimmerten ein gutes Dutzend Fernsehbildschirme. CNN-Headline News und einer der ›Home-shopping‹-Kanäle spulten schweigend ihr Programm ab. Die anderen Bildschirme waren mit Videokameras verbunden, die in diversen Büroräumen seiner Firma installiert waren, damit er seine Angestellten ständig überwachen konnte.
Da er sich momentan nicht für die Büros interessierte, bildeten die leisen Klänge einer Mozartoper sowie das beständige Kratzen der Nagelfeile der Kosmetikerin die einzige Geräuschkulisse in den ausgedehnten Fluchten seines Büros.
Finley liebte es zu beobachten.
Das oberste Stockwerk dieses Gebäudes hatte er sich deshalb ausgesucht, weil ihm hier Los Angeles zu Füßen lag. Dieser Standort gab ihm ein Gefühl von Macht, und er brachte so manche Stunde damit zu, vor dem großen Panoramafenster hinter seinem Schreibtisch zu stehen und einfach nur das Kommen und Gehen wildfremder Menschen weit unten auf den Straßen zu beobachten.
In seinem Haus in den Bergen, hoch über der Stadt, gab es in jedem Zimmer Fernseher und Monitore. Und Fenster, jede Menge Fenster, durch die er die Lichter der Bucht von L.A. betrachten konnte. Abend für Abend stand er auf dem Balkon vor seinem Schlafzimmer und träumte davon, all das zu besitzen, was sein Auge sah.
Er hungerte förmlich nach Besitz; wobei er eine Vorliebe für das Edle und Exklusive hatte, was in seinem Büro unübersehbar zum Ausdruck kam. Wände und Teppichböden waren in Weiß gehalten, einem reinen, ungebrochenem Weiß, um als jungfräulicher Hintergrund für seine Besitztümer
zu dienen: Die Ming-Vase, zum Beispiel, die auf einen marmornen Sockel stand, die Skulpturen von Rodin und Denaecheau in den diversen Wandnischen; den goldgerahmten Renoir über der Louis-quatorze-Kommode, die samtbezogene Polsterbank, auf der angeblich schon Marie Antoinette gesessen hatte, und die von zwei auf Hochglanz polierten Mahagonitischchen aus dem viktorianischen England eingerahmt wurde.
Zwei hohe Glasvitrinen beherbergten eine beeindruckende Sammlung unterschiedlichster Kunstobjekte: fein ornamentierte Schnupftabakdosen aus Lapislazuli und Aquamarin, Dresdner Figuren, Schmuckdöschen aus der Porzellanmanufaktur von Limoges, ein Dolch mit edelsteinbesetztem Griff aus dem 15. Jahrhundert, afrikanische Masken.
Edmund Finley kaufte. Und was er kaufte, das hortete er.
Sein Import-Export-Unternehmen lief ausgesprochen erfolgreich, sein Nebenerwerb, das Schmuggeln, nicht minder. Letzteres stellte für ihn jedoch die größere Herausforderung dar. Es verlangte eine gewisse Finesse, skrupellose Erfindungsgabe und einen sicheren Geschmack.
Finley, ein großer, außergewöhnlich gut aussehender Mann in den frühen Fünfzigern, hatte mit dem ›Warenankauf‹ als junger Dockarbeiter in San Francisco begonnen. Es war ein Kinderspiel gewesen, eine Kiste am falschen Platz abzuladen, aufzubrechen und den Inhalt zu verschachern. Mit Dreißig hatte er ausreichend Kapital angehäuft, um eine eigene
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