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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Zuhause. Als sie die Codekarte einsteckte, schwenkten die massiven Zufahrtstore nach innen auf. Molly folgte der Auffahrt und stellte währenddessen fest, daß im Garten alles in Ordnung war. Das Berieselungssystem, das ihr Vater entworfen hatte, arbeitete offensichtlich tadellos.
    Sie stieg die drei Stufen hoch und betrat die Halle. Einen Augenblick lang blieb sie im Halbdunkel stehen und spürte, wie die Erinnerungen sie überkamen. Es gab Geister in diesem Haus, aber sie waren ein Teil der Familie. Molly konnte sie nicht verlassen. Dann sah sie nach unten auf den glänzenden Holzfußboden. Der Bohnerroboter hatte seine Arbeit erledigt. Molly betrat den vorderen Salon, wo die Staubwischmaschine vor kurzem über die Bücherregale gefahren war. Kurz darauf verließ sie den Salon und stieg die massive Treppe in den zweiten Stock hinauf. Oben wandte sie sich in den Korridor, der zu ihrem Schlafzimmer führte. Nein, ganz sicher würde sie das Haus nicht zum Verkauf anbieten, dachte sie, während sie frische Kleidung aus dem Schrank nahm und sie in einem patentierten Abberwick-Antiknitterkoffer verstaute. Den verrückten alten Kasten würde ohnehin niemand wollen. Vielleicht würde ein Spekulant ihn niederreißen, um an seiner Stelle ein Apartmenthochhaus zu bauen. Nur jemand mit einem Faible für das Einzigartige und Sonderbare würde das Haus so lieben wie Molly.
    Sie konnte hier allein leben, dachte Molly. Zugegeben, das Haus war zu groß für eine Person, aber die unzähligen Haushaltserfindungen ihres Vaters würden die meisten Reinigungsarbeiten erledigen. Was das Haus wirklich brauchte, war eine Familie. Eine ganz besondere Familie, mit einem außergewöhnlichen Vater, dessen Augen wie Bernstein leuchteten … Der Gedanke war aus dem Nirgendwo aufgetaucht. Reglos blieb Molly in der Mitte des Schlafzimmers stehen, die rote Jacke, die sie aus dem Schrank genommen hatte, an sich pressend. Das Bild von zwei dunkelhaarigen Kindern mit Augen wie Bernstein materialisierte sich in der Tiefe ihres Bewußtseins. Ein Junge und ein Mädchen. Sie lachten in ausgelassener Fröhlichkeit. Molly spürte, daß sie darauf brannten, nach unten in die Werkstatt ihres Vaters zu laufen. Sie wollten mit den automatischen Spielsachen spielen, die Jasper Abberwick vor Jahren für Molly und Kelsey gebaut hatte.
    Für einige Sekunden war Molly unfähig zu atmen. Harrys Kinder. Die Vision verblaßte, aber die Gefühle, die sie in Molly ausgelöst hatte, blieben.
    Nach einer Weile schaltete sie den raffiniert ausgedachten Faltmechanismus im Inneren des Koffers ein und schloß den Deckel. Nach einem kurzen Rundgang durch die restlichen Räume im Obergeschoß – um sicherzugehen, daß alles in Ordnung war – ging sie nach unten. Den Koffer ließ sie in der Eingangshalle, während sie die Räume im ersten Stock kontrollierte. Nichts fehlte. Nun mußte sie nur noch im Keller nach den Maschinen für die Energiezufuhr der Haushaltsroboter sehen. Sie stieg die Stufen zu dem fensterlosen unterirdischen Raum hinunter. Als sie die Tür öffnete, sprang die helle Deckenbeleuchtung der Werkstatt an. Auf der anderen Seite des Raums blinkten die Lichter der Schalttafel, über die alle mechanischen und elektrischen Systeme im Haus gesteuert wurden.
    In dem Augenblick, als sie die Werkstatt betrat, hörte Molly das schwache Knarren.
    Zwei Gedanken durchfuhren sie gleichzeitig. Der eine appellierte an ihre Vernunft und den gesunden Menschenverstand. Molly sagte sich, daß ein gelegentliches Knarren und Knacken in einem alten Haus normal waren. Der zweite war irrational und intuitiv. Er stammte direkt aus der unbekannten Tiefe ihres Bewußtseins, aus jenen Regionen, die für den Überlebensinstinkt zuständig waren. Eine innere Stimme sagte ihr, daß sie nicht allein im Haus war. Jemand schlich hier herum. Während sie durch die oberen Stockwerke gegangen war, hatte sich jemand in einem der unterirdischen Lagerräume versteckt.
    Ein Dielenbrett ächzte.
    Panik ergriff Molly. Sie sah zur Treppe zurück und spürte eine ohnmächtige Hilflosigkeit. Ihre Flucht würde an einer langen Reihe von Lagerräumen entlangführen, und in einem davon lauerte der Eindringling. Während sie noch über ihre Fluchtchancen nachdachte, wurde am Ende des Ganges eine Tür geöffnet. Aus dem Halbdunkel löste sich ein Mann. Sein Gesicht war von einer Skibrille verdeckt. Er hob die Hand. Darin lag eine Pistole.
    Molly nahm den einzigen Weg, der ihr blieb. Sie stürmte durch die Tür

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