Traeume wie Samt
Feierabend.«
»Hör zu, wenn du reden willst …«
»Nein, das möchte ich nicht. Aber danke für das Angebot.«
Tessa zögerte. »Klar. Du bist der Boß. Aber wenn du mich brauchst – ich bin da.«
»Ich weiß. Danke.«
Tessa öffnete die Eingangstür. »He, das hätte ich beinahe vergessen.«
»Was?«
»Eine Freundin aus der Band möchte mit dir sprechen. Sie arbeitet an einem wirklich komischen Gerät. Ich habe ihr von der Stiftung erzählt, und sie war sofort Feuer und Flamme. Sie könnte das Geld gut gebrauchen, um ihr Projekt zu finanzieren.«
Für einen Moment war Molly von ihren eigenen Problemen abgelenkt. »Deine Freundin ist Erfinderin?«
»Ja. Sie heißt Heloise Stickly. Spielt Baßgitarre in der Band. Aber ihr Hauptinteresse gilt der Erforschung verschiedener Bewußtseinsebenen.«
»Wie schön«, sagte Molly. »Aber was sind verschiedene Bewußtseinsebenen?«
»Keine Ahnung. Sie hat eine Theorie über Menschen aufgestellt, die Dinge spüren können, von denen der Rest von uns keine Ahnung hat. Du verstehst schon, wie Farben, die über das normale Spektrum hinausgehen. Solches Zeug. Sie arbeitet an einer Maschine, die besondere Gehirnwellen aufspürt.«
Molly verzog das Gesicht. »Hm, vielleicht solltest du ihr besser keine Hoffnung machen, sich bei der Abberwick-Stiftung zu bewerben. Harry ist etwas voreingenommen, wenn es um Erfinder geht, die auf dem Gebiet paranormaler Erscheinungen arbeiten. Um ehrlich zu sein, hält er das alles für ausgemachten Blödsinn.«
»Du brauchst nicht für jedes Projekt die Erlaubnis von T-Rex, oder?«
»Nein. Aber ich zahle ihm viel Geld für die Beratung. Es wäre dumm, seinen Ratschlägen nicht zu folgen.«
»Sprichst du trotzdem mit Heloise? Schaden kann es schließlich nicht, oder?«
»Nein, natürlich nicht.« Molly zog eine Grimasse und lächelte. »Du würdest im Winter Eis in Alaska verkaufen, Tessa. Sag Heloise, daß ich mich gern mit ihr unterhalte.«
»Wunderbar.« Tessa lächelte, während sie durch die Tür trat. »Bis morgen.«
Molly wartete, bis sich die Türe geschlossen hatte. Dann ging sie ein letztes Mal durch den Laden, um das allabendliche Ritual zu vollziehen. Sie rückte die Teebehälter gerade, überprüfte das Bestellbuch und zog die Rolläden an der Fensterfront herunter. Als alles in Ordnung war, schlüpfte sie durch die Vordertür und schloß sorgfältig ab. Die Stufen zum Hafen hinunter waren noch immer von Menschen bevölkert, aber die Menge wurde rasch kleiner. In der späten Nachmittagssonne funkelten die Springbrunnen. Molly stieg zur First Avenue hinauf, wo sich die nächste Bushaltestelle befand.
Als sie an Brookes Laden vorbeikam, trat Gordon heraus. »Molly.« Er lächelte einschmeichelnd. »Hattest du einen erfolgreichen Tag?«
»Es ging. Hör zu, ich möchte mich für mein Verhalten neulich entschuldigen. Ich wollte dich nicht vor Trevelyan in Verlegenheit bringen.«
»Vergiß es.«
Gordon seufzte. »Ich habe mich nicht besonders nett benommen, aber ich bin ehrlich besorgt. Die Sache mit ihm scheint ernst zu werden.«
»Mach dir keine Sorgen um mich, Gordon.«
»Aber das ist es ja gerade. Ich mache mir Sorgen.« Er schob eine Hand in die Tasche seiner modischen bronzefarbenen Hose. »Immerhin sind wir alte Freunde. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie du dich Hals über Kopf auf jemanden wie Trevelyan einläßt. Er ist nicht dein Typ.«
»Erstaunlich, daß alle eine Meinung zu diesem Thema zu haben scheinen. Aber du mußt mich entschuldigen, Gordon. Der Bus wartet nicht.«
Molly eilte die restlichen Stufen hinauf, überquerte die Straße und erwischte den überfüllten Bus zum Capitol Hill. In der Mitte entdeckte sie den einzigen leeren Platz, aber er befand sich neben einer Stadtstreicherin, die ihre gesamte Habe darauf abgestellt hatte. Das war Seattle. Keiner der stehenden Passagiere bat die Frau, ihre Sachen herunterzunehmen. Der Bus setzte seine Fahrt fort und passierte die Ansammlung von Buchhandlungen, Cafés, Body-Piercing-Salons und Geschäfte für Lederkleidung, die dem Capitol-Hill-Viertel seinen farbenfrohen Charakter gaben. Nachdem der Bus in den Wohnbezirk eingebogen war, stieg Molly aus.
Sie ging durch die ruhigen, mit Bäumen bestandenen Straßen bis zum verwinkelten Haus der Abberwicks. Der Anblick des weitläufigen, alten Gebäudes hinter dem Eisentor erfüllte sie mit unerwarteter Wärme. Kelsey hatte unrecht, überlegte sie. Sie konnte den Familiensitz nicht verkaufen. Er war ihr
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