Traeume wie Samt
zu Werkstatt, fuhr herum und schlug die alte Holztür hinter sich zu. Hastig schob sie den Riegel vor. Dumpfe Schritte klangen durch den Korridor. Vor der Tür verstummten sie. Der alte Glasknauf bewegte sich rüttelnd in Mollys Hand. Instinktiv ließ sie ihn los. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß es keine gute Idee war, direkt hinter der Tür stehenzubleiben. Der Eindringling könnte leicht durch das alterstrockene Holz schießen. Molly wich mehrere Schritte nach hinten, bis sie in der Mitte der Werkstatt stand. Ein schwerer, krachender Schlag erschütterte die Tür. Sie klapperte in den Angeln. Der Einbrecher versuchte sich mit Gewalt Zugang zu verschaffen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sein Ziel erreicht hatte.
Langsam und verzweifelt schritt Molly im Kreis herum. Sie fühlte sich wie ein gefangenes Tier. Aus der Werkstatt gab es kein Entkommen. Ringsum erhoben sich die Steinmauern des Kellergewölbes und bildeten einen Raum, der nicht größer war, als der Salon über ihr. Es gab keinen Platz, wo sie sich verstecken konnte. Ihr Blick fiel auf die Schatten werfenden, von Tüchern umhüllten Gestalten an einer Wand. Das Bild der zwei schwarzhaarigen Kinder mit den klugen bernsteinfarbenen Augen schoß ihr wieder in den Kopf. Die Kinder wollten mit den glitzernden, aufblinkenden mechanischen Spielzeugen spielen, die Jasper Abberwick für seine Töchter gebaut hatte.
Erneut warf sich der Mann von außen gegen die Türe. Sie erbebte und ächzte, als hätte sie eine tödliche Wunde erlitten. In diesem Augenblick wußte Molly, daß der Eindringling sie umbringen wollte. Sie spürte die Bedrohung bis in die Knochen. Entweder handelte sie jetzt, oder sie würde im Keller ihres eigenen Hauses ums Leben kommen.
Harry! Harry, ich brauche dich …
Der stumme Hilferuf hallte durch ihren Kopf. Es hatte keinen Sinn, laut loszuschreien. Niemand würde sie hören.
Die Kinder mit den Bernsteinaugen wollten spielen …
Molly nahm alle Kraft zusammen und eilte durch den Raum zu der ersten verhüllten Gestalt. Sie riß den Stoff beiseite und befreite eine hoch aufragende Spielfigur, die sie einmal »das Wesen aus der Purpurnen Lagune« genannt hatte. Die Kreatur war etwa so groß wie sie selbst, hatte einen riesigen, klaffenden Mund mit vielen Zähnen und einen langen Schwanz. Mit elf Jahren war Molly begeistert gewesen, solch ein riesiges Tier steuern zu können. Sie setzte das Monster auf seine furchtbar häßlichen Füße und drückte den Knopf an der Schalttafel. Ihre pflichtbewußte halbjährliche Inspektion der langlebigen Spezialbatterien zahlte sich jetzt aus.
In den Augen des Ungeheuers blitzten rote Lichter auf. Mit einem Zischen entwich künstlicher Dampf, und es kehrte langsam Leben in das Fabelwesen ein. Mit seinen riesigen Pranken setzte es sich in Bewegung, während der Schwanz von einer Seite zur anderen schwankte.
Die Tür erzitterte unter einem weiteren Schlag.
Molly riß die Stoffhülle von einem zweiten mechanischen Spielzeug, einem Raumschiff. Zwei große Puppen in bizarren Kostümen bedienten die Laserkanonen. Molly betätigte einen Knopf. Die Waffenimitationen schossen grüne Energiestrahlen in den Raum. Wieder krachte ein heftiger Schlag gegen die Tür, während Molly einen weiteren Spielroboter enthüllte. Nacheinander setzte sie ihre gesamte kleine Armee an Monstern und Fahrzeugen in Betrieb. Sie war eben mit einem Miniatursegler beschäftigt, einem Prototypen der Maschine, in der ihr Vater und ihr Onkel ums Leben gekommen waren, als sie hörte, daß die Tür splitternd und krachend nachgab. Entschlossen schlug sie auf den Hauptschalter, der die elektrische Anlage im Haus außer Betrieb setzte.
In dem Augenblick, als der maskierte Mann durch die Tür kam, wurde es in der Werkstatt dunkel, und Mollys mechanische Verteidiger tuckerten, brummten und surrten auf den Eindringling zu. Die tintenschwarze Nacht wurde von schmerzhaften Blitzen und nervenzermürbendem Getöse zerrissen. Ziellos fuhren die Spielfiguren durch den Raum, rasten blind ineinander, gegen die Wände und alles, was ihnen im Weg war. Hinter einer Werkbank verborgen, wartete Molly mit angehaltenem Atem.
Es war eine Szene wie in einem Horrorfilm. Die dunkle, höhlenartige Atmosphäre wurde von wild pulsierenden Lichtstrahlen durchschnitten. Aus dem Stöhnen, Zischen und Grunzen entstand ein mißtönendes, ohrenbetäubendes Konzert.
»Was soll das, zum Teufel?« In dem heiseren, undeutlichen Überraschungsschrei des
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