Traeume wie Samt
fehlte. Die Öffnungen erinnerten Harry an blicklose Augen. Langsam ging er um den Ford herum.
»Was hast du vor?« fragte Molly.
Harry rollte die Ärmel hoch. »Den Wagen etwas genauer zu untersuchen.«
»Bei dem Sturz von der Klippe wurde alles zerrissen und zerbeult. Wie willst du wissen, ob ein Schaden, den du jetzt entdeckst, nicht schon vor dem Unfall vorhanden war?«
Harry beugte sich zum Kotflügel hinunter und betrachtete die eingerissene Ventilabdeckung. »Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt etwas finde. Aber ich muß es mir näher ansehen.«
»Damit du ein Gefühl für die Situation bekommst?« schlug Molly ungerührt vor.
Harry ignorierte sie. Während er sich tiefer über den zerbeulten Kotflügel neigte, erlaubte er sich eine sehr vorsichtige Konzentration. Das Gefühl, daß etwas nicht stimmte, umströmte ihn und berührte seine Sinne. Aber es kam nicht aus dem Motorraum. Harry trat vom Kotflügel zurück. Er versuchte sich unauffällig zu verhalten, während er tief Luft holte, aber er spürte, daß Molly ihn aufmerksam beobachtete.
Etwas war ganz eindeutig nicht in Ordnung. Nach einigen Sekunden, als er sicher war, daß er sich fest unter Kontrolle hatte, setzte er sich auf den Fahrersitz. Er überprüfte den Schaden im Wageninneren. Das Lenkrad war nicht mehr vorhanden. Die Sprünge in der Glasabdeckung über dem Armaturenbrett sahen aus wie ein Spinnennetz. Harry bückte sich, um das Bremspedal zu untersuchen. Wieder überfiel ihn das Gefühl, etwas wäre anders, als es sein sollte. Aber im Wageninneren besaß es nicht die Intensität wie draußen, als er neben dem Kotflügel gestanden hatte.
»Ist etwas mit den Bremsen?« fragte Molly erwartungsvoll.
»Ich glaube nicht.« Harry wappnete sich mit seiner gesamten Willenskraft und berührte entschlossen das Bremspedal. Dann drückte er es probeweise herunter. Und konzentrierte sich. Der Versuch, mit dieser absoluten Klarheit zu denken, war so zweischneidig. Überaus nützlich und zugleich gefährlich.
»Was ist los?« fragte Molly. »Was spürst du?«
»Ich spüre überhaupt nichts«, murmelte Harry. »Die Bremsen sind in Ordnung.«
»Bist du sicher?«
»So sicher, wie ich den Umständen entsprechend sein kann.« Harry war beinahe überzeugt, daß niemand die Bremsleitungen durchschnitten hatte. Es gab immer noch genug Druck im System.
»Etwas so Dramatisches wie zerstörte Bremsleitungen wären wohl zu offensichtlich gewesen.«
Harry warf Molly einen jähen Blick zu. »Du klingst enttäuscht.«
Sie hob die Schultern. »Ich habe genug alte Filme gesehen.«
»Diese Art Sabotage funktioniert auch nur im Film«, erklärte Harry abwesend. »Im wirklichen Leben ist es zu unsicher. Auch wenn die Leitungen durchgeschnitten sind, kann man nie genau vorhersagen, wann die Bremsflüssigkeit austritt.«
»Du meinst, es gibt keine Möglichkeit, den Zeitpunkt so zu bestimmen, daß die Bremsen in der richtigen Kurve versagen?«
»Genau.« Harry dachte nach. »Es ist eine sehr unzuverlässige Mordmethode. Und unser Mann – falls außer Kendall tatsächlich noch jemand beteiligt ist – arbeitet überlegter und präziser.«
»Wie kommst du darauf?«
»Das weißt du selbst, Molly. Der Mann versuchte uns von der Straße zu drängen und dich zu erschießen.«
»Ich verstehe, was du meinst.« Molly zog die Brauen leicht nach oben. »Er zieht den direkten Angriff vor.«
»Nur wenn es um den tatsächlichen Mordversuch geht«, sagte Harry langsam. »Als er sein Spiel eröffnete und den falschen Verdächtigen aufbaute, ging er subtiler vor. Und darin war er um einiges besser als beim Abschluß.«
»Was, glaubst du, hat das zu bedeuten?«
Harry sah Molly an, während er sich innerlich in das Problem versenkte. »Es könnte bedeuten, daß der Drahtzieher mehr Erfahrung bei der Gestaltung der Bühne besitzt, als einen Mord zu begehen. Menschen umzubringen könnte neu für ihn sein.«
Molly erschauerte. »Aber warum könnte er erfahrener darin sein, sich eine Tarnung zu verschaffen?«
»Vielleicht«, sagte Harry, »weil er bisher nichts weiter tun mußte, um seine Ziele zu erreichen. Der Stil seiner Operation deutet auf einen Betrüger mit großer Erfahrung hin.«
»Einen Betrüger?«
»Es könnte sein, daß er bisher als Hochstapler oder mit anderen Schwindeleien gearbeitet hat, die nicht tödlich endeten.«
»Also ist er zwar schlau, was den ersten Teil angeht, aber weniger erfahren bei Mord.« Molly schloß kurz die Augen. »Zum
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