Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
Vom Netzwerk:
verwischen suchte.«
    Molly verzog das Gesicht. Sie holte ihre Schultertasche und ging zum Eingang. »Wie nett, so begehrt zu sein.«
     
    Um zehn Uhr am folgenden Morgen standen Harry und Molly zwischen den Skeletten ausgeschlachteter Wagen. Ein massiver Stahlzaun mit Stacheldrahtbewehrung umgab den Autofriedhof. Über dem Eingang hing ein Schild mit dem Namen Maltrose Wrecking.
    Für einen Besuch bei den Toten war es ein passender Tag. Der bleierne Himmel ließ jeden Augenblick Regen erwarten. Eine kräftige Meeresbrise zerrte an den Ärmeln von Harrys Hemd. Mollys Haar war bereits zu einer undefinierbaren Masse verwirbelt worden. Mit einer Hand hielt sie die Strähnen von den Augen fern.
    Chuck Maltrose, der Eigentümer des Schrottplatzes, stand neben Harry. Er war ein großer, schwerer Mann, der aussah, als wäre er früher Footballspieler oder Gewichtheber gewesen. Seine glorreichen Tage schienen allerdings lange hinter ihm zu liegen. Die meisten Muskeln hatten sich mit den Jahren in Fett verwandelt.
    »Ist das der Wagen, den Sie sehen wollten?« Chuck sah Harry an.
    Harry betrachtete die Überreste des blauen Ford und blickte auf die Notizen, die er sich bei seinem letzten Telefonat mit Fergus Rice gemacht hatte. »Ja, das ist er.«
    »Lassen Sie sich Zeit«, sagte Chuck. »Für Ihre fünfzig Dollar können Sie sich alles ansehen, was sie wollen.«
    »Danke.«
    »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind. Ich bin in meinem Büro.«
    »In Ordnung.« Harry sah Chuck nicht nach, als er sich abwandte und sich mit seinem massigen Körper zu dem verrosteten Wohnwagen bewegte, der ihm als Büro diente. Er konnte seine Aufmerksamkeit nicht von dem Ford lassen. Obwohl er den Wagen noch nicht einmal berührt hatte, spürte er schon, daß etwas nicht ganz in Ordnung war. Trotz seines zerknautschten Zustands hätte sich der Wagen vertraut anfühlen müssen. Erst vor wenigen Tagen war er dazu benutzt worden, Harrys Sneath P2 zu bedrängen. Zugegeben, er hatte den Ford nur in einer Serie unzusammenhängender Schnappschüsse gesehen. Zuerst im Rückspiegel, dann, nachdem er am Sneath vorbeigeschossen war. Harry hatte beide Hände voll zu tun gehabt, um sein eigenes Fahrzeug auf der Straße zu halten. Und doch …
    »Was ist los, Harry?« fragte Molly.
    Er sah sie an. »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht nichts, außer dem Offensichtlichen.«
    Molly schlang die Arme um sich. »Sieht schlimm aus, nicht wahr? Ein Wagen, der den Abgrund hinuntergestürzt ist. Mit einem Mann, der darin starb. Wenn ich das Wrack nur ansehe, bekomme ich eine Gänsehaut.«
    Harry schwieg. Sein unbehagliches Gefühl rührte nicht von dem Wissen, daß Wharton Kendall in dem Wagen den Tod gefunden hatte. Etwas anderes arbeitete in ihm. Der Wagen strahlte etwas aus, das nicht zum Gesamtbild paßte. Dabei war Harry nicht einmal in den Zustand tiefer Konzentration gesunken. Ihm fiel auf, daß der Teil seines Gehirns, der die »vernunftgesteuerten Einsichten« so gut beherrschte, in letzter Zeit ungewöhnlich wahrnehmungsfähig geworden war. Seit er mit Molly schlief, um genau zu sein.
    Diese Erkenntnis verblüffte ihn. Harry starrte auf den blauen Ford und fragte sich, was mit ihm los war. Seine Vorstellungskraft gehorchte seiner Kontrolle nicht mehr. Das war das Problem. Aber vielleicht gab es eine viel schlimmere, verhängnisvollere Ursache. Wieder regte sich tief in ihm die alte Furcht. Wenn er nun wirklich wahnsinnig wurde?
    »Harry?« Molly berührte seinen Arm. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Natürlich. Warum nicht?« Harry zwang die Angst in ihr Versteck zurück und erinnerte sich an Mollys Hinweis. Schon die Tatsache, daß du dich fragst, ob du verrückt werden könntest, bedeutet, daß du es nicht bist. Entschlossen setzte er die Selbstbeherrschung ein. »Ich versuche nachzudenken.«
    »Tut mir leid.«
    Harry wandte sich abrupt von Molly ab, um der Besorgnis in ihrem Blick auszuweichen. Er würde sich später für seine Ungeduld entschuldigen. Auch die Sorge, reif für die Zwangsjacke zu sein, verschob er auf später. Diese besondere Befürchtung hatte er seit Jahren vor sich hergeschoben. Jetzt konnte sie auch noch ein wenig länger warten.
    Er trat vor, um einen sorgfältigen Blick auf den zerstörten Ford zu werfen. Die Eingeweide des Wagens lagen offen vor ihm. Durch den Aufprall war die Kühlerhaube abgerissen worden. Die Türen hingen offen in den Angeln, als wären die Knochen unter der Metallhaut gebrochen. Das Glas in den Fenstern

Weitere Kostenlose Bücher