Traeume wie Samt
Stratton Hughes geheiratet. Aber sie fand es interessant, daß Olivia Harry bei einem Familienproblem um Hilfe bat, das ihr soviel Sorge bereitete. Molly schob die beunruhigenden Gedanken beiseite und zwang sich, die Zusammenfassung des Finanzierungsantrags zu lesen, der aufgeschlagen auf dem Tisch vor ihr lag.
Mit einem Seufzen und ein paar knackenden Geräuschen bereitete sich das alte Haus auf die Nacht vor. Ein entferntes Summen aus dem oberen Stockwerk zeigte an, daß ein Reinigungsroboter seinen Pflichten nachging.
Nach einer Weile machte Molly eine Pause, um das Geschirr auf das Transportband zu stellen, mit dem es durch den patentierten Abberwick-Geschirrspüler gerollt wurde. Wenn die Maschine ihre Arbeit beendet hatte, würde das Geschirr automatisch gestapelt und eingeräumt werden. Molly konzentrierte sich auf die Beschreibung eines emissionsfreien Motors, während die gereinigten Geschirrteile aus der Maschine auftauchten. Auch während die mit Gummi geschützten mechanischen Arme das Geschirr ordentlich in den angrenzenden Schrank stellten, sah sie nicht auf.
»Bist du mit Molly Abberwick gut befreundet?« fragte Olivia, während sie ihre Tasche hochnahm.
Harry wandte sich vom Fenster ab. »Ja.«
»Schläfst du mit ihr?«
»Das geht dich nichts an.«
Olivia besaß den Anstand, peinlich berührt zu wirken. »Nein, ich nehme an, das tut es nicht. Ich habe mich nur gefragt, ob es möglicherweise – Komplikationen gibt.«
»Komplikationen?«
»Von der Art, wie sie zwischen dir und mir auftraten«, antwortete Olivia brüsk.
Harry betrachtete sie überrascht. »Inwiefern?«
»Ich sagte dir bereits, was ich vermute. Du leidest an einer posttraumatischen Störung wegen der Umstände, unter denen deine Eltern gestorben sind«, erwiderte Olivia ruhig. »Das ist keine ungewöhnliche Reaktion auf ein ernsthaftes Trauma. Ich wünschte mir, du würdest Dr. Shropton anrufen. Er besitzt eine Menge Erfahrung darin, wie solche Störungen behandelt werden können. Und es gibt Medikament dagegen.«
»Ich werde es mir merken.«
»Du wirst keinen Finger rühren, nicht wahr?« fragte Olivia in einem erneuten ärgerlichen Ausbruch. »Du sprichst nicht über dein dysfunktionales Verhalten, du gibst nicht einmal zu, daß du ein Problem hast.«
»Sieh mal, Olivia …«
»Laß mich dir eines sagen, Harry. Als erfahrene Fachfrau weiß ich, daß deine Probleme sich nicht bessern werden, wenn du sie weiter leugnest. Sie werden deine Beziehung mit Molly Abberwick zerstören, genau wie sie unsere zerstört haben.«
»Danke für die Warnung«, sagte Harry. »Aber ich glaube nicht, daß wir allein meine persönlichen Defekte dafür verantwortlich machen können, daß unsere Beziehung gescheitert ist.«
»Wage es nicht zu behaupten, du hättest mich jemals geliebt, Harry. Was immer du für mich empfunden hast, es war sicher nicht Liebe.«
Harry hielt inne. »Hast du mich geliebt?«
»Ich habe es versucht«, flüsterte Olivia gepreßt. »Ich habe es wirklich versucht, Harry.«
»Wie nobel von dir.« Er wußte nicht, wie er ihr sagen sollte, daß er ebenfalls versucht hatte, sie zu lieben. Sie würde niemals verstehen, daß gerade sein Bemühen, dies zu tun, sie veranlaßt hatte zu fliehen. Augenblicke des Entsetzens.
»Es war hoffnungslos«, sagte Olivia. »Du bist nicht frei, einen Menschen zu lieben, Harry. Eine Weile dachte ich, wir könnten vielleicht zusammenfinden, wenn du nur lernen würdest, richtig zu kommunizieren. Wenn du etwas Einfühlung entwickeln könntest. Gefühle teilen. Das Leugnen überwinden. Aber es war unmöglich.«
»Ja, ich nehme an, das war es.«
»Und dann wurde der Sex – nun, er wurde unheimlich. Das weißt du auch.«
Harry spürte, wie er innerlich erkaltete. »Es tut mir leid.« Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
»Ich weiß, daß es nicht absichtlich geschehen ist, aber du hast mir angst gemacht. Zuerst warst du distanziert, so kalt im Bett. Ich habe mich gefühlt, als würde ich mit einem Roboter schlafen, nicht mit einem Mann.«
Harry schloß die Augen.
»Und dann, beim letztenmal, schienst du die Kontrolle über etwas zu verlieren. Es war überwältigend.« Olivia suchte nach Worten. »Furchtbar, wenn du die Wahrheit hören willst. Hinterher wurde mir klar, daß wir die Beziehung beenden müssen.«
Harry gelobte sich, denselben Fehler mit Molly nicht zu begehen. Ihm war bewußt, daß ihn Frauen, die sich auf ihn einließen, für schwierig hielten. Mit den Jahren hatte er
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