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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Doch einen Nebeneffekt hatte er offenbar nicht einkalkuliert, dachte Harry, während er die Stufen der Vordertreppe hinaufeilte. Dem Mistkerl war nicht klar, daß er nach den Anschlägen auch die Aufmerksamkeit von Mollys Berater auf sich gezogen hatte. Heute nacht würde er Molly nicht hier allein lassen, versprach er sich, egal, wie sehr sie sich dagegen sträuben würde. Sie würde mit in seine Wohnung kommen, bis er eine Entscheidung getroffen hatte, was zu tun war.
    Die Eingangstür ging auf, als Harry zum Klopfen ansetzte. Eingehüllt in das Gegenlicht aus der Halle stand Molly vor ihm. Mit einer Hand krampfte sie die Umschläge eines übergroßen weißen Frotteemantels zusammen. Ihr Haar sah aus, als wäre ein Sturm hindurchgefahren. Die Augen waren riesig und umschattet.
    »Harry.« Molly starrte ihn für einen Augenblick an, als wäre sie nicht sicher, was sie als nächstes tun sollte.
    Bevor Harry ihre Absicht erkannt hatte, war sie in seine Arme gestürzt und vergrub das Gesicht an seiner Schulter. Sie hatte angerufen und brauchte ihn. Und nun lag sie in seinen Armen, wo sie hingehörte. Das dunkle Verlangen ballte sich in ihm zusammen, und er sehnte sich nach etwas, das er nicht haben konnte. Wenn er diesem Drang folgte, würde er alles zerstören.
    Er sog die Luft ein. Mit unerbittlicher Willensstärke bekam er sich selbst und die wilden Gefühle in den Griff, die ihn zu durchtosen drohten. Er würde dem Hunger nicht erlauben, die Kontrolle über sich zu gewinnen. Zuviel stand auf dem Spiel. Das Risiko, Molly in Angst und Schrecken zu versetzen, durfte er nicht eingehen. Er wollte sie nicht verlieren. »Es ist ja alles gut. Ich bin da.« Er löste Molly sanft von sich, was nicht leicht war. Ihre Arme schienen wie um seinen Nacken geschweißt.
    Zögernd hob sie das Gesicht und sah ihn an. »Danke, daß Sie gekommen sind. Ich weiß es zu schätzen. Ich hätte Sie nicht belästigen sollen.«
    »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen.« Harry suchte ihre Augen und entspannte sich etwas. Mollys Gesicht wirkte erschrocken, aber nicht aus Angst vor ihm.
    Harry bemerkte, daß ihr Frotteemantel offenstand. Er entdeckte ein unglaublich unschuldig wirkendes, weißes Nachthemd, dessen Halsausschnitt mit zarter Bogenspitze verziert war. Darunter hoben und senkten sich Mollys Brüste, deren aufgerichtete Spitzen gegen das hauchzarte Gewebe drückten. Harry entspannte seine Hände und lauschte dem pulsierenden Blut in seinen Adern.
    Molly sah an sich hinunter und errötete. Hastig schloß sie den Mantel. »Kommen Sie herein. Ich mache uns einen Tee.«
    Harry stellte fest, daß seine Finger leicht zitterten. Er trat über die Schwelle und schloß die Tür.
     
    »Es ist der schlimmste Alptraum aller Kinder. Das Gespenst unter dem Bett.« Aus einer weißen Steingutkanne schenkte Molly Tee ein. Nur bei Tee machte sie sich die Mühe, ihn selbst zuzubereiten. Guter Tee brauchte die persönliche Aufmerksamkeit. Keine Maschine, nicht einmal die Küchengeräte ihres Vaters oder Kelseys Apparate, konnte den Tee richtig zubereiten. »Und ich habe wie ein Kind reagiert und vor Angst gezittert.«
    »Jemand hat die beabsichtigte Wirkung erzielt.« Harry untersuchte die Einzelteile der Gespensterpuppe, die er auf dem Küchentisch aus Edelstahl ausgebreitet hatte.
    Molly hatte ihm zugesehen, während er das Kunstgeschöpf mit den geschickten, präzisen Bewegungen eines Juweliers auseinandergenommen hatte, der kostbare Steine aus einem Kollier entfernte. Stück für Stück hatte er die Bestandteile der Konstruktion abmontiert, die unter dem Bett hervorgekrochen war. Im hellen Küchenlicht wirkten der billige, schwarze Stoff, die Halloween-Maske und die verschiedenen mechanischen Teile nicht sehr beängstigend. Molly war etwas betroffen.
    »Ich glaube, ich habe überreagiert«, sagte sie. »Der Scherz mit der Pistole hat mich nicht sehr berührt, aber diese Sache ging mir wirklich unter die Haut.«
    »Das war auch so geplant.« Harry hielt ein Einzelteil ins Licht und prüfte es. »Dieses Ding wirkte viel bedrohlicher als die Pistole. Es befand sich in Ihrem Haus. Noch dazu in Ihrem Schlafzimmer. Ich glaube, wer immer hinter diesen Vorfällen steckt, versucht Ihre Angst zu steigern.«
    Molly erschauerte. Sie sah in Harrys grimmiges Gesicht, um herauszufinden, wie ernst seine Worte waren. Die Antwort war klar: Er meinte es todernst. Molly spürte die Energie, die von ihm ausging. »Trotzdem, ich kann noch immer nicht glauben, daß diese

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