Träume(h)r (German Edition)
das letzte Überbleibsel davon war. Die Besitzerin bot jedem ihrer Angestellten die Möglichkeit ein Zimmer über dem Restaurant zu mieten. Zur Zeit wohnten aber nur Pepe und Sofia in jeweils einem der acht Räume. Esmeralda selbst wohnte in dem Haus, das direkt an das Restaurant grenzte.
Der Gang im dritten Stockwerk sah so aus, wie man sich den Flur eines bescheidenen Hotels vorgestellt hätte. Die einzelnen Zimmer ähnelten sich und das Mobiliar darin war sehr schlicht gehalten. Am Ende des Ganges gab es eine geräumige Gemeinschaftsküche, worin sich die Zimmerbewohner ihr Essen zubereiten konnten.
Marc erinnerte dieser Anblick an das Studentenwohnheim, das Ole in den ersten beiden Semestern seines Studiums bewohnt hatte. Von da aus waren sie stets, nachdem sie in der gemeinschaftlichen Küche Partylaune getankt hatten, in Richtung Clubs und Bars aufgebrochen. Zum Kochen hatte sich die Küche leider nie besonders geeignet. Immer fehlten Teller oder Besteck und oft ließen die Bewohner des Wohnheims ihr ungespültes Geschirr einfach in der Spüle stehen, bis es eine andere Person wegräumte. Wieder ein Beweis dafür, dass Kommunismus nicht funktionieren konnte, dachte sich Marc mit überlegenem Gesichtsausdruck.
Die beiden Freunde bezogen innerhalb weniger Minuten ihre Zimmer und begaben sich im Anschluss in den Flur, wo Miguel auf sie wartete, um ihren Tagesablauf zu planen. Während der Spanier das Programm aufzählte ging Marc noch einmal sicher, ob seine bisherigen SMS auch alle im Elternhaus angekommen waren. Er wollte unnötige Panik vermeiden.
Während seiner Reise hatte er viel darüber nachgedacht, wie er seinen Eltern beibringen sollte, dass er das Studium geschmissen hatte, um in Portugal Fischer zu werden. Er kam dabei zu der Schlussfolgerung, dass er sich kaum vorstellen konnte, wie überhaupt eine Person, ausgenommen Ole, seine Entscheidung rational nachempfinden konnte.
Wäre er ein Leben lang passionierter Angler gewesen und blieben ihm keine anderen Möglichkeiten mehr zum Überleben, dann könnte man seinen Entschluss einigermaßen nachvollziehen, aber Marc war noch nie angeln gewesen und nicht ansatzweise in seiner Existenz bedroht.
Jörg Fröhlich duldete zwar bislang die Eigenarten seines Sohnes, da Marc ein ausgezeichneter Student war und zusätzlich durch eine kreative Idee zu einer Art Unternehmer geworden war, aber Fischer in Portugal als Lebensziel? Das würde er ihm niemals durchgehen lassen.
Marc wurde von der Seite angestupst, wodurch man ihn aus seinen Gedanken riss. Es war Miguel, der ihn fragend anschaute.
»Hey, geht es dir gut? Ich dachte ihr wolltet Sehenswürdigkeiten und Kunst sehen. Du wolltest doch Bilder machen, nicht wahr?«, fragte der Spanier vorsichtig.
»Genau, Miguel. Ich war nur mit meinen Gedanken ganz wo anders. Tut mir leid!«, entgegnete Marc.
Wie schon in der letzten Großstadt, musste die Kamera in Madrid Höchstleistungen vollbringen, um alles einzufangen, was ihr Besitzer im Auge hatte.
Als sie bereits vier Stunden unterwegs waren und Marc soeben auf dem »Plaza Mayor« das Objektiv auf eine große Statue von Philipp III. richten wollte, fiel ihm am Rande der Kulisse ein Plakat auf, das für die anstehenden Stierkämpfe warb.
Die blutige Tradition des absichtlichen Tötens von Stieren hatte Marc zwar noch nie verstanden und sie als überaus bestialisch empfunden, aber die dazugehörige festliche Kleidung der Toreros faszinierte ihn seit seiner Schulzeit, wo er im Kunstunterricht ein Referat über traditionelle Gewänder diverser Kulturen halten musste. Darin hatte er auch die Montur der spanischen Toreros beschrieben.
Zu den Toreros gehörten alle Akteure eines Stierkampfes. Auf dem Plakat war aber nur der wichtigste Protagonist der Stierkampfarena abgebildet. Der Matador. Sein Kostüm setzte sich aus einem traditionellen Anzug, der eine Hose beinhaltet, die nur bis zu den Knien reicht, eine Art aufwendig besticktem Jäckchen, einem weißen Hemd mit schmaler schwarzer Krawatte, weißen kniehohen Strümpfen, einem schwarzen Hut und schwarzen eleganten Schuhen zusammen. Nicht zu vergessen war das rote Tuch, das den Stier aggressiv machen sollte und ein leicht gebogener Degen, mit dem man dem Tier am Ende einen Todesstoss versetzte.
»Hey Miguel!«, unterbrach Marc den Spanier, der mitten in einem Vers anhalten musste, »Meinst du wir können für mich ein Torero-Outfit auftreiben? Ich habe die genaue Bezeichnung dafür vergessen«, sagte er und
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