Träume(h)r (German Edition)
und auch die Musik damit verstummen ließen.
Marc war fassungslos. Als Belohnung erntete das ungleiche Paar stehende Ovationen, laute Pfiffe und haufenweise Blumen, die von den Zuschauern aus den Vasen genommen und in den Innenhof geworfen wurden.
Oles Hemd war durchnässt und seine Haare klitschnass. Er bedankte sich beim Publikum mit zahlreichen Verbeugungen für den Applaus und hielt dabei Sofia an der Hand, die ihn mehr als überrascht anblickte. Ohne zu ihr zurückzuschauen, ging er als sei nichts gewesen, zu seinem Platz und setzte sich an die Seite des Matadors.
»Bist du Antonio Banderas in einem Ole Kostüm? Was hast du mit meinem Freund gemacht?«, fragte ihn Marc entsetzt.
»Vierzehn Jahre Flamenco. Spanische Tanzschule, Berlin«, sagte Ole trocken und zwinkerte seinem Freund zu.
»Verdammt! Was sollen diese Geheimnisse? Ich muss doch solche Sachen über dich wissen. Als nächstes bist du noch Weltmeister im Trampolin hüpfen!«, sagte Marc aufgeregt, wobei seine Fantasie mit ihm durchging und er sich bereits vorstellte, wie Ole seit Jahren in der Nacht als Superheld verkleidet unter dem Psyeudonym Langer Lachs unterwegs war und gegen das Böse kämpfte, um daraufhin jeden Morgen aufzustehen und den normalen Studenten Ole Reike mit der Matrikelnummer 394857 zu spielen. Der Riese holte Marc jedoch wieder in die Realität zurück.
»Naja, es war nicht gerade eine Fähigkeit, die mir oder dir jemals hätte von Nutzen sein können oder hätte es dich beeindruckt, wenn ich so einen Tanz in einem Club aufgeführt hätte? Vermutlich nicht!«
Nach einigen Minuten, die Marc dafür verwendet hatte, um alles über Oles rätselhafte Tänzervergangenheit in Erfahrung zu bringen, gab er endlich Ruhe, woraufhin sie sich der Flasche Sangria auf ihrem Tisch widmeten.
Nach einigen Gläsern saßen die zwei Freunde gemütlich auf ihren Plätzen und unterhielten sich genauso laut und gestikulierend, wie die Restaurantgäste um sie herum es taten. Zur späten Stunde stießen Sofia und Esmeralda samt Pepe zu ihnen. Der Barmann spielte auf der Gitarre seine ruhige, sinnliche Musik, während die anderen sich unterhielten.
»Woher kannst du so gut Flamenco tanzen?«, platzte es aus Sofia heraus und nachträglich erzählte Ole auch ihr, was er vierzehn Jahre lang in Berlin gemacht hatte, wobei die Spanierin ihm verträumt zuhörte und sich dabei unmerklich in seinen Bann ziehen ließ.
Das einzige, was Marc anzog, war zu seinem Bedauern Esmeralda, die ihm gegenüber saß und ein Glas Wein nach dem anderen leerte. Sie verschlang den jungen Stierkämpfer mit ihren Blicken und als niemand hinsah, formte sie das Wort »Matador« auf ihren Lippen und streifte anschließend mit ihrem Bein, das von Marc. Abrupt zuckte dieser so stark zusammen, dass die Gläser auf dem Tisch beinahe umfielen. Er war auf der Stelle stocknüchtern.
Sofia hatte sich ebenfalls erschrocken, da sie zuvor den Worten des deutschen Casanovas vollkommen verfallen war. Esmeralda bat sie, nachdem die Gläser wieder ihr Gleichgewicht gefunden hatten, zu sich und sagte ihr einige Sätze auf Spanisch ins Ohr. Blitzschnell riss die zierliche Flamenco-Göttin ihre braunen Augen auf und schaute zu Marc.
»Verhalte dich jetzt absolut ruhig«, sagte sie mit begeisterter Stimme, die gar nicht zu dem passte, was aus ihrem Mund kam.
»Sie denkt, dass ich dir gerade sage, was du für ein attraktiver Matador bist.«
Das Wort »Matador« sprach Sofia überdeutlich aus, damit sie sichergehen konnte, dass ihre Chefin nichts von der wahren Bedeutung des Gesprächs erahnen konnte.
»Wenn du heute Nacht nicht unter ihr begraben werden möchtest, dann mach dich irgendwie aus dem Staub. Sobald sie etwas trinkt, ist sie nicht mehr zu halten. Ein anderer Mensch. Glaube mir, du wärest nicht der Erste!«, warnte Sofia.
Die Restaurantbesitzerin hatte keinen Verdacht geschöpft und wartete auf eine Reaktion des Matadors, der als Antwort so guckte, als sei ihm ein lauter, ziehender Furz in der Oper entfleucht, anstatt verlegen zu lächeln.
Nach zehn Minuten, die Marc damit verbracht hatte so selten wie möglich zu Esmeralda herüberzuschauen, gab er vor starke Magenverstimmungen zu haben und entfernte sich von der Gruppe. Dabei hielt er sich den Magen, wobei seine Schweißperlen im Gesicht besonders authentisch wirkten, die Marc dadurch erzeugt hatte, dass er seine Beine ausgestreckt, unter unglaublichen Anstrengungen, an die Unterseite des Tisches presste. Mit dieser Taktik
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