Träume(h)r (German Edition)
lachten amüsiert und Ricky Ole wurde auf der Stelle rot.
»Wir öffnen um neun Uhr«, sagte die Kellnerin in gebrochenem Deutsch zu den zwei Fremden, nachdem sie aufgehört hatte zu lachen. Deutschen sah man wohl immer an, dass sie deutsch waren, dachte sich Marc.
»Tut mir Leid, wir wollten nicht stören. Wir sind mit Miguel hier«, entgegnete Ole verlegen und suchte den Raum nach dem Poeten ab. »Miguel, wo bist du?«
»Hier, meine Freunde. Ich musste nur mit einer wundervollen Blume liebäugeln, die mich da drüben am Tisch verzaubert hat.«
Er zeigte mit dem Finger hinter sich in eine entfernte Ecke des Restaurants. Als er den Barmann und die Kellnerin erblickte, lief er voller Freude auf sie zu, um sie nacheinander zu umarmen. Anschließend redete sie einige Minuten in ihrer Sprache miteinander, wobei sich Ole und Marc nur mit einem Fragezeichen im Gesicht ansehen konnten.
Keiner von ihnen beherrschte die Landessprache. Ole entschied sich in der Mittelstufe für französisch und Marc hatte italienisch gewählt, da er für den Fall, dass er eine Karriere als Pizzabäcker einschlagen würde, bestens gewappnet sein wollte.
Während nämlich alle seine Freunde ihrem dreiwöchigen Schülerpraktikum mit einer gewissen Ernsthaftigkeit nachgegangen waren und einen Einblick in die Welt der Rechtsanwälte, Kaufleute oder Ärzte erlangten, knetete Marc drei Wochen lang Pizzateig für die Pizzeria »Pronto Pizza«, die zwei Minuten vom Elternhaus entfernt lag, wonach jegliches Interesse am Dasein als Pizzabäcker verflogen war. Italienisch konnte er trotzdem.
Der Name der Kellnerin war Sofia. Sofort war Marc aufgefallen, dass sein schlaksiger Freund bereits ein Auge auf die rassige Schönheit geworfen hatte. Er sah ihr noch lange hinterher, nachdem sie längst hinter einer Mauer verschwunden war, um die letzten Vorbereitungen vor der Öffnung des Lokals zu erledigen.
Der Barmann hieß Pepe und war ein lieber Kerl mittleren Alters, der kein Wort Englisch oder Deutsch verstand, also nickte er nur mit einem Dauergrinsen, während Miguel sich mit Ole, Marc und Sofia unterhielt.
Durch die vielen Stimmen, die von der Bar ausgingen, wurde die Restaurantchefin Esmeralda angelockt. Mit lauten Schritten kam sie vom oberen Stockwerk des Restaurants zu der kleinen Gruppe herunter und ließ, als sie Miguel erblickte, die Tischdecke, die sie mit ihren Händen festhielt, auf den Boden fallen.
Ein langgezogenes »Miguel« ertönte im Raum, woraufhin sie den Poeten freundschaftlich umarmte und auf beide Wangen küsste, um sich danach Ole und Marc zu widmen, die genauso offenherzig in Empfang genommen wurden.
Miguel erklärte der Restaurantbesitzerin die Umstände, in denen er Ole und Marc kennengelernt hatte. Wie Pepe, sprach auch Esmeralda kein Wort Englisch oder Deutsch, aber die zusätzlichen Gäste schienen ihr ganz und gar nichts auszumachen. Ein Blick von ihr genügte, um Marc wissen zu lassen, dass gegen ihr Feuer im Blut, das von der rassigen Sofia, nur ein brennendes Streichholz war.
Kichernd flüsterte die füllige Spanierin Miguel einige Worte zu, der sich später unauffällig an Marc wandte und ihn warnte.
»Nimm dich lieber in Acht vor ihr. Sie hat ein riesiges Herz, aber wenn sie etwas haben möchte, wird sie zum Tier. Und du willst doch nicht als Beute enden, oder?«
Marc schluckte. Noch so ein Abenteuer wie das in Paris, musste er nicht erleben. Vor allem nicht, weil ihm dieses Mal ein fünfundvierzig Jahre altes, ausgewachsenes Rhinozeros gegenüberstehen würde. Er wollte sich nicht einmal ausmalen, wie es gewesen wäre, wenn Louanne, zusätzlich zu ihrer verrückten Ader, vierzig Kilogramm mehr auf den Rippen gehabt hätte.
Nach weiteren Wortwechseln zwischen Miguel und Esmeralda, machte sich die Restaurantbesitzerin mit dem frisch angekommenen Trio auf den Weg, um ihnen ihre Schlafplätze zu zeigen.
Über der zweiten Etage des Lokals gab es noch ein drittes, für Besucher unzugängliches, Stockwerk. Der Eingang befand sich, für Gäste unsichtbar, hinter einem großen Banner an der Wand. Esmeralda zog das Tuch zur Seite und legte eine hölzerne Tür frei.
Der Poet blickte beim Hinaufsteigen der Treppen aufgeregt zu den beiden Freunden zurück.
»Hat wirklich etwas geheimnisvolles hier hochzugehen«, sagte er. Später erklärte Miguel seinen zwei neuen Freunden, dass Esmeraldas Restaurant, noch bevor es in den Besitz ihrer Familie gelangt war, ursprünglich ein Hotel gewesen sei und die oberste Etage
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