Träume(h)r (German Edition)
den Kahn eigenständig in Richtung Meeresufer und warteten vor der Küste darauf, dass einer der Männer sie mit dem Traktor an Land zog.
Die Seeleute hatten angefangen sich an die beiden Neulinge zu gewöhnen. Wenn Marc in seinem Outfit als Robinson Crusoe vom Boot sprang, belächelten nur noch die Wenigsten seine extravagante Arbeitskleidung. Der Rest von ihnen hatte den komischen Kauz akzeptiert, wie er war.
Nachdem sie in Sagres ihren Fang versteigerten, fuhren sie mit Jose wieder ins Dorf.
»Meinst du nicht wir können so langsam alleine los?«, fragte Ole kurz bevor sie angekommen waren.
»Wie meinst du das?«, entgegnete Marc irritiert.
»Ich glaube wir sind jetzt soweit und können uns auch ohne Stützräder hinauswagen, meine ich!«
»Im Ernst?«, stotterte Marc unsicher. »Was ist mit einem Boot? Das haben wir nicht! Außerdem brauchen wir sicher Lizenzen und all den anderen Kram. Eine Ausrüstung fehlt uns auch.«
Man merkte, dass er die Idee seines Kumpels für überstürzt hielt, obwohl sie tatsächlich alle Techniken, die ihnen ihr Mentor beigebrachte hatte, mittlerweile beherrschten.
»Keine Sorge, ihr könnt ein altes Ruderboot von mir haben und den Rest werden wir sicherlich auch noch auftreiben. Solange ihr tagsüber und nicht zu weit aufs Meer hinausfahrt, sollte euch nichts passieren«, schaltete sich José ein.
Tagsüber klang für Marc ganz gut, da sie dann wenigstens nicht frieren mussten und er sein Outfit von Beginn ihrer Arbeit tragen konnte. Als er aber realisierte, dass sie nur ein hölzernes Ruderboot, wie in Hemingways Roman zur Verfügung haben würden, musste er schlucken, denn das Leben des Protagonisten war alles andere als die Spitze der Maslowschen Pyramide gewesen. Er war sich nicht einmal sicher, ob in Santiagos Leben überhaupt die unterste Ebene der Pyramide, mit den einfachen Grundbedürfnissen eines Menschen, dauerhaft befriedigt wurde.
»Jetzt guck nicht so. José sagt doch, dass es nicht gefährlich ist, also stell dich nicht so an!«, ermutigte ihn Ole.
Er dachte nach. Wenn er sichergehen wollte, dass seine Selbstverwirklichung nicht im Ozean bei den Fischen lag, dann musste er alleine mit seinem Kumpel losziehen und nachsehen, was passieren würde. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie bislang immer in Begleitung einer dritten Person waren und nicht vollkommen auf sich alleingestellt hinausfuhren, die seinen Traum ins Wanken brachte. Folglich beschloss er das Risiko einzugehen.
»Einverstanden!«, antwortete er und wusste nicht, ob er seine Entscheidung schon bald bereuen würde.
Der Strand war voller Urlauber. Sie beobachteten interessiert, wie Ole und Marc das Ruderboot zu Wasser ließen. José hatte ihnen den alten Kahn zur Verfügung gestellt und dabei erwähnt, dass er etwas Pflege gebrauchen könnte. Das Gefährt war, seitdem der Fischer sich ein Motorboot zugelegt hatte, nicht mehr oft in Benutzung. Marc gefiel der aktuelle Zustand. So etwas konnte man definitiv nicht bei Amazon unter der Kategorie »Vintage« kaufen, dachte er sich.
Sie stellten sicher, dass sie nichts von ihrer Ausrüstung vergessen hatten und fuhren los. Ole versenkte die Paddel mit tiefen, gleichmäßigen Zügen wieder und wieder im Wasser, woraufhin sie langsam Fahrt aufnahmen. Währenddessen sortierte Marc das Netz, wie er es von José gelernt hatte und wartete, bis sie eine Stelle erreicht hatten, die Oles Augen intuitiv als einen geeigneten Platz zum Fischen bestimmten.
»Hier sollte es klappen!«, sagte er guter Dinge und verstaute die Paddel im Inneren des Bootes. Marc bemerkte erst jetzt, dass sie sich weit vom Meeresufer entfernt hatten. Für seinen Geschmack etwas zu weit.
»Meinst du nicht wir sollten lieber etwas näher am Strand unser Glück versuchen?«, fragte er vorsichtig.
»Nein, hier ist es schon in Ordnung!«, antwortete Ole entschlossen und warf ihr Netz ins Meer.
Nun warteten sie in der sengenden Hitze, wobei sie es bereuten den von José empfohlenen Sonnenschirm, abgelehnt zu haben. Nach drei Stunden auf See und unzähligen Standortänderungen, machten sie sich ohne Beute auf den Weg in Richtung Ufer. Der große Fang war ausgeblieben, aber sicher würden sie schon morgen Erfolg haben, dachte sich Marc, als er ihre Ausrüstung sortierte. Auch José hatte bei ihrer Ankunft keine aufmunternden Sätze auf Lager.
»Gewöhnt euch besser daran! So ist das Leben als Fischer. Einen Tag fängt man etwas und den anderen nicht! So läuft das eben!«
Doch
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