Träume(h)r (German Edition)
Reike.«
Ihm wurde mit einem Schlag die Luft aus den Lugen gepresst und er konnte kein Wort mehr sagen. Ein Wasserfall aus Tränen strömte nun über die Wangen des Fischers.
»Das bedeutet du bist mein Sohn!«, platzte es aus ihm heraus und er stand auf, um Ole zu umarmen. Nun war Marc klar, weshalb der Riese glaubte den Fischer irgendwoher gekannt zu haben. Bei näherem Hinsehen waren der Vater und dessen Sohn nicht nur beinahe gleich groß, sondern hatten auch sehr ähnliche Gesichtszüge. Man hätte ihnen sofort angesehen, dass sie verwandt sein mussten, wenn man den Unterschied in ihrem Hautteint ausgeblendet hätte, der so ungleich wie Tag und Nacht war.
»Wenn meine Mutter nicht noch mehr Kinder hatte, von denen ich nichts weiß, dann glaube ich, dass du Recht hast!«, entgegnete Ole und begann ebenfalls Krokodilstränen zu weinen. Er stand auf und gab seinem Vater eine feste Umarmung, die fast eine Minute andauerte und für alle verpassten Umarmungen der letzten Jahre stehen sollte.
»Könnt ihr euch noch daran erinnern, als ihr zwei zum ersten Mal aus meinem Boot gehüpft seid und die Fischer euch gesehen haben?«, fragte José schluchzend. Die beiden nickten.
»Der Mann, der mir damals auf Portugiesisch etwas zurief, woraufhin ich nur ein müdes Lächeln als Antwort entgegnen konnte. Der meinte nämlich, dass Ole mein verschollener Sohn sein müsste.«
Er klopfte seinem Jungen stolz auf die Schulter.
»Wir hätten auf den Typen hören müssen!«
Am nächsten Morgen erfuhr Marc von seinem Freund, dass er und sein Vater noch in der selben Nacht Heike Reike angerufen hatten, um ihr die unerwarteten Neuigkeiten mitzuteilen.
»Die hätte fast vor Schreck wieder aufgelegt, nachdem José, ich meine natürlich Papa, in den Hörer gesprochen hatte«, sagte Ole gut gelaunt und fuhr fort. »Was denkst du, wie du reagieren würdest, wenn eine Person über Jahrzehnte aus deinem Leben verschwunden wäre, von der du gedacht hättest sie sei abgehauen, um sich vor ihrer Verantwortung zu drücken und das Ganze sich letzten Endes als einziger Irrtum entpuppen würde?«
Marc dachte nach.
»Vermutlich nicht anders«, antwortete er. »Was passiert nun als nächstes mit eurer Familie?«
»Meine Mutter versucht so schnell wie möglich einen Flug hierher zu bekommen und dann werden wir sehen wie frisch ihre Liebe noch ist«, lachte der Riese.
»Also zwecks Familienzusammenführung nach Salema. Das hört sich doch gut an!«, bestätigte Marc. »Wie sieht es mit deinen Zähnen aus? Wann ist der nächste Termin?«
»Ich habe bereits beim Zahnarzt angerufen. In einer halben Stunde kann ich mein Glück erneut versuchen, aber das wird schon klappen. Immerhin hat mein Vater in dieser Gegend auch meine Mutter kennengelernt«, sagte Ole stolz, wobei man ihm anmerken konnte, dass er es genoss das Wort Vater auszusprechen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass allein das Schicksal gegen sie gespielt hatte.
»Viel Erfolg!«, sagte Marc mit einem Blick auf die Uhr und begab sich zum vereinbarten Treffpunkt, wo Caro ihn mit einem Leihwagen abholte.
Auf der Fahrt nach Sagres erfuhr er, wie geradlinig sein Leben hätte verlaufen können, wenn er sich so anhörte, welchen Weg Caro nach ihrem BWL-Studium eingeschlagen hatte. Sie waren zwar gleichaltrig, aber, da sie im Gegensatz zu Marc hatte keinen Zivildienst leisten müssen, war sie bereits mit ihrem Studium fertig und berufstätig.
Auch bei ihr hatte es der Lehrplan nicht geschafft, sie vollkommen in seinen Bann zu ziehen.
»Es ist halt nur ein Mittel zum Zweck gewesen«, antwortete sie und zuckte mit den Schultern, als Marc nach ihrer Zufriedenheit fragte. Einige Praktika unterschieden ihre Lebensläufe voneinander, aber sonst waren sie sich bis auf seinen Studienabbruch ziemlich ähnlich.
Arbeit hatte Caro in der Marketingagentur ihres Onkels gefunden, die sich mit der Vermarktung von Mode beschäftigte.
»Von der Auswahl der Stylisten für die Shootings, bis hin zur Konzeption von Ideen für Werbespots, Plakate und so weiter, machen wir alles. Es ist sehr viel Planung und Organisation notwendig, aber am Ende freut man sich, wenn man die Ergebnisse seiner Arbeit sehen kann!«
Dem konnte Marc nichts entgegensetzen. Es hörte sich für ihn zumindest um einiges interessanter an, als irgendwo im internen Rechnungswesen eines Unternehmens zu sitzen und Kennzahlen zu glätten, damit der Vorstand weiterhin ungehindert Porsche fahren konnte.
Nachdem Caro ihren Werdegang
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