Träume(h)r (German Edition)
»Sieht nach einem verdammt rauen Seegang aus!« wurden zu beliebten Ausreden.
Marc realisierte jedoch, dass selbst wenn sich ihre Netze prall gefüllt hätten und sie die erfolgreichsten Fischer Salemas oder ganz Portugals geworden wären, er trotzdem nicht das gefunden hätte, wonach er seit der Unterhaltung mit José, gesucht hatte.
Nicht nur die langen Tage in Salema und die Gespräche mit Caro, hatten ihn nachdenklich gemacht, sondern zusätzlich die Tatsache, dass seine Grundeinstellung gegenüber dem Fischen niemals auch nur den Ansatz einer Passion beinhaltete. Von Beginn an ging er seiner Tätigkeit leidenschaftslos nach, was für jemanden, der seinen Traum lebte, unmöglich war. Daher konnte etwas nicht stimmen.
Aus diesem Verdacht heraus, wollte er der Frage seiner allgemeinen Unzufriedenheit im Leben noch einmal systematisch auf den Grund gehen und schrieb sich alle Dinge heraus, die ihm wirklich zusagten. Nicht einfach spontane Eingebungen, die ihm plötzlich in den Sinn kamen, wie sie es damals auf der elterlichen Dachterrasse getan hatten. Nein, es sollten wirklich Dinge sein, die er sich gut überlegt hatte und die eigentlich klar auf der Hand lagen, er aber nie deutlich wahrgenommen hatte.
Als seine Liste endlich vollständig war, handelte er mit großer Sorgfalt jeden einzelnen Punkt darauf ab. Wörter wie Sport, Kreativität, Bücher und Mode, die er mit etwas Positivem assoziierte, tauchten darin auf, aber keiner dieser Begriffe ließ auf seine Berufung schließen.
Bei seinem nächsten Treffen mit Caro, weihte er sie in seine Gedankenwelt ein.
»Möglicherweise erwartest du einfach zu viel vom Leben«, sagte sie trocken, nachdem er ihr alles geschildert hatte. »Ich glaube es ist bei den wenigsten Menschen in der heutigen Zeit so, dass sie genau das tun, was sie sich erträumt haben.«
»Meinst du?«, fragte er unsicher.
»Ja, aber viel schwieriger ist herauszufinden, wovon man überhaupt wirklich träumt. Sieh dich an! Du lebst in Salema deinen vermeintlichen Traum und bist dennoch alles andere als zufrieden. Du hast eine Liste aufgestellt, worauf deine Hobbys und Leidenschaften zu finden sind, aber selbst daraus wirst du nicht schlau und das ist vermutlich auch ganz normal!«
Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort.
»Wir wissen nicht, wonach wir unser Leben lang suchen und du musst es mal von einem anderen Blickwinkel aus betrachten. Wenn wir alle nur auf der Suche wären, wann würden wir dann richtig anfangen zu leben?«
Marc ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen.
»Stell dir mal vor du sitzt hier noch Wochen, vielleicht Monate oder sogar Jahre in diesem Dorf und suchst nach der Spitze deiner Pyramide. Dabei zieht alles an dir vorbei, während du dir den Kopf über ein Rätsel zerbrichst, worauf es möglicherweise keine Antwort gibt. Mein Traum war es auch nie im Marketing zu arbeiten und das zu tun, was ich gerade tue, aber es hat sich einfach so ergeben. Die Arbeit macht an manchen Tagen mehr und anderen Tagen weniger Spaß. Meine Arbeitskollegen sind jedoch alle nett und wir verstehen uns gut. Allein das schafft schon eine positive Grundstimmung. Es kann natürlich sein, dass dein Job für immer eine Geldbeschaffungsmaßnahme bleiben wird, aber dann hast du trotzdem deine Wochenenden, Feiertage und Urlaub, worauf du dich freuen kannst.
Caro hatte bemerkt, dass er damit ganz und gar nicht zufrieden sein würde, also setzte sie ihre Ansprache fort.
»Jedenfalls ist es nicht das Ende der Welt, da du Konsequenzen ziehen kannst und die Möglichkeit besteht die Branche zu wechseln. Zahlreiche Wege stehen uns offen, aber keinen Schritt zu tun und nur zu überlegen, dass jeder kommende der Falsche sein könnte, ist auch keine Lösung!«
Ihre Worte hatten Marc direkt vor den Kopf gestoßen.
»Nicht jeder BWLer wird so sein wie euer Professor Söring. Es gibt auch normale Menschen, wie mich!«, sagte sie und boxte ihn freundschaftlich gegen die Schulter.
»Vermutlich hast du recht«, entgegnete er und fuhr sich mit beiden Händen erschöpft durchs Haar.
In zwei Wochen würde sein Ausflug offiziell zu Ende sein. Das war zumindest der Termin, den er seinen Eltern für die Heimreise nach Deutschland angegeben hatte. Eigentlich wollte er dann kurz zuhause auftauchen, Klartext reden und mit beruhigtem Gewissen wieder abhauen, aber nun war alles ins Wanken geraten. Er wusste selbst nicht mehr, was er so wirklich wollte. Hinzukommend würde Caro übermorgen abreisen. Die
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