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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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würden, Rassistendrama von D. W. Griffith, da begann sich das ganze Studiosystem zu entwickeln, auch fiskalisch, verstehen Sie?
Birth of a Nation
, das war die Geburtsstunde Hollywoods! Es war die Geburtsstunde des
Big Business
! Die Geschichte der größten amerikanischen Krise, des Bürgerkriegs, als Drama zwischen zwei Familien inszeniert. Sie kennen wahrscheinlich nur die Szene am Ende mit demKu-Klux-Klan, der wie Artus’ Tafelritter in ihren weißen Roben in die Stadt einreitet und die Horden der plündernden und vergewaltigenden Neger besiegt. Aber das ist nicht alles. Griffith hat den ersten langen Spielfilm geschaffen. Unglaubliche 110.000 Dollar hat der Film damals gekostet, bis heute weiß kein Mensch genau, wie Griffith dieses Geld zusammengeklaubt hat. Viele meinen, er hat einfach Glück gehabt! Er hatte einen Deal mit den Aitken-Brüdern, Harry und Roy, abgeschlossen, die hatten damals den größten Verleih im ganzen mittleren Westen, das schien vernünftig! Verleiher, Kinobetreiber und Finanziers in einem, aber das waren nur 40.000 Dollar, die die beiden bereitstellten, und auch das war eine Unsumme, und dann wollte der Schriftsteller, Dixon, der die Vorlage geliefert hatte,
The Klansman
, ein unerträgliches Buch, noch viel unerträglicher als die unerträglichen Stellen im Film, tatsächlich die unverschämte Summe von 25.000 Dollar! Sie müssen das alles mindestens mal zwanzig nehmen, wenn Sie verstehen wollen, von welchen Größenordnungen wir hier reden! Dixon ließ sich dann auf 2000 runterhandeln, gegen Anteile am Gewinn. Also ging’s los. Griffith entschied sich für ein Studio in L.A., am Sunset, Ecke Vine, die Aitkens saßen in New York. Ich weiß nicht, wie Griffith das gemanagt hat. Er hatte die ganzen laufenden Kosten am Hals, die Aitkens hatten ein wirkliches
Cash-Flow
-Problem. Sie schrieben jeden Freitag die Schecks, gedeckt von den Einnahmen ihrer Kinos über die Woche. Und Griffith’ Film wurde länger und länger. Er schien sich gesagt zu haben: Wenn die Leute stundenlang in Romanen lesen oder eine ganze Symphonie durchhalten, warum sollten sie dann nicht auch für zwei Stunden gebannt auf ihre Klappsitzen im Kino zu fesseln sein? David Wark Griffith. Dee Doubbeljuh. Haben Sie jemals ein Foto von ihm gesehen? Er war ein schöner Mann. Fast so schön wie Ralph. Ich habe Ihren Blick doch gesehen.Ja, selbst wenn man glaubt, nur Frauen zu mögen, Schönheit zieht an, da ist das Geschlecht völlig unwesentlich. Machen Sie sich nichts draus. Ralphs Geschichte erzähle ich Ihnen auch noch irgendwann.»
    Er fühlte sich ertappt, in eine Falle geraten. Er hatte auf diesen blonden, bis eben nur stummen Diener reagiert, und es musste so offensichtlich gewesen sein, dass der alte Mann das registriert hatte, vermutlich schon beim ersten Mal. Der alte Mann schien ein feineres Gespür für die Dinge zu haben, als er sich vorstellen konnte. Er war ein großer Manipulator, das war er.
    Â«Nun aber zurück zu Griffith. Sie werden noch verstehen, warum ich Ihnen von dem erzähle, ich merke, Sie werden ungeduldig, das ist gut so, Geduld ist eine überschätzte Tugend, aber warten Sie einen kleinen Moment, ich verspreche Ihnen, Sie werden bald alles verstehen. D.W. kam aus Kentucky, 1875 geboren, aus einer absolut armen Familie, die noch ärmer wurde nach dem Ende des Bürgerkriegs. Nord gegen Süd, das kann man sich hier in Europa gar nicht vorstellen, was das für Wunden gerissen hat, die bluten bei einigen bis heute. Nur vergleichbar mit dem Grauen hier bei uns in der Nazizeit, mit diesem Zerrissensein zwischen Faszination und Ekel, diesem Schuld-und-Begehren-Ding, das wir, Hand aufs Herz, doch alle haben, wenn wir die Wochenschauen sehen, die Marschmusik, die Liszt-Fanfare, die Riefenstahl-Blicke.
    Griffith hat gelitten. Kam vom Land nach Louisville, wo sein Vater starb, musste dann von der Schule und jeden noch so widerlichen Job annehmen, der ihm etwas zum Fressen einbrachte. Stellen Sie sich ihn als Chaplins Tramp vor, nur hochgewachsen, kein Stock, keine Melone, keine Watschelfüße. Und blond. Aber der Zufall führte ihn insTheater. Und da blieb er zehn Jahre. Er soll schlecht gewesen sein, sehr schlecht, aber er sah immerhin gut aus. Eine traurige Schönheit habe er besessen, etwas Tragisches habe er ausgestrahlt, und so kam er zum Film, zu
Biograph
, einer der ersten erfolgreichen

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