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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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München.
    Â«Aber dieser Enthusiasmus des Aufbruchs verflog nach einem Jahr. ABC war damals noch nicht der Gigant, zu dem ihn erst Roone Arledge machte, als er ’77 vom Leiter desSports zum Präsidenten aufstieg. CBS und NBC lagen Ende ’70 unerreichbar vorn, die besseren Begleitprogramme, Sitcoms, Serien und einfach mehr Studios und Übertragungsstationen. Heute gehört die ganze Chose, plus die Sportsender von ESPN, den Disneys. Mickymaus verrät Ihnen des Wetter, Daisy die Sportergebnisse. Hier sind ABC News, Nachrichten für Amerika. Aber was nützt der Claim, wenn ich nicht daran Teil hatte.»
    Der alte Mann hustete leicht, legte das Heft in den Schoß, nahm sich das Taschentuch aus der Brusttasche und wischte sich über den Mund. Ein Rest von Auswurf blieb ihm im Mundwinkel hängen. Wisch dir den Mund ab und mach weiter, dachte der Interviewer.
    Â«Ich hatte dieses Gefühl, dass ich mich irgendwie einrichtete, gar nicht mehr weiterwollte. Partys, Freundinnen. New York kann verführerisch sein, auch gerade damals schon. Dann lernte ich Jane kennen, meine erste Frau. Aber genug davon, das interessiert Sie doch alles nicht. Sie sind ja ein
single man,
wissen Sie noch? Das haben Sie mir damals in Cannes verraten.»
    Der Interviewer unterbrach ihn. «Sie erinnern sich daran?»
    Â«Natürlich erinnere ich mich daran, ich erinnere mich an alles. Es ging Ihnen nicht gut, aber Sie haben tapfer so getan, als sei alles in Ordnung, Sie haben sich sogar meine Tiraden wegen Lars angehört. Ich habe das Interview gelesen, das Ihre Zeitschrift dann nachher mit Lars gemacht hat, wieso haben Sie das eigentlich nicht geführt? Ich dachte, ich hätte Ihnen genau den notwendigen Schubser in die richtige Richtung verpasst?»
    Â«Ich, ich …», fing der Interviewer an, unsicher, ob er von seiner damaligen Trennung erzählen sollte und von der magischen Nacht mit Heloisa, die ja eigentlich auch nicht der Grund gewesen war, warum es ihm damals so schlecht ging. Jedenfalls wenn man die Fischsuppe außer Acht ließ. «Ich hatte mich …»
    Â«Ist ja auch egal, das können Sie mir später erzählen. Sie sind jedenfalls hier. Ich weiß nicht … Frauen … die haben alle ein Loch, aus dem sie verbluten. Ich weiß, das klingt dumm, aber … man kann das nicht stopfen. Vielleicht war ich auch einfach nicht für die Ehe gemacht, zumindest nicht für die Ehe mit Jane, nicht für das Leben in Schimmel-Appartments, nicht für das schnelle Versauern in Hochhausbüros. New York. Wenn Sie bedenken, wie viele Menschenleben dieser Mythos schon gekostet hat. Da können Sie antiliberal werden. Da können Sie sich wünschen, einmal unseren positiven Vorurteilen gegenüber allem, was nicht deutsch ist, auf den Grund zu gehen, da könnten sie anfangen, alles zu durchschauen. Amerika lebt nur von Mythen. Hat es immer getan.»
    Â«Was war denn mit Jane?» Der Interviewer beschloss, weiter auf die persönliche Karte zu setzen, aber der alte Mann winkte ab. Er wirkte müde, obwohl sie erst seit zwanzig Minuten miteinander redeten.
    Â«Später, später. Lassen Sie mir doch ein klein wenig Zeit, um mich zu erinnern. Sie werden schon noch alles verstehen. Auch das mit Jane.»
    Eine Weile schwiegen sie. Der Interviewer konnte das Meer hören, die Möwen und die Schiffe in der Lagune. Die Vorhänge blähten sich leicht. Das Licht schien wie eineVerlängerung des Windes ins Zimmer hinein. Dann nahm der alte Mann einen Schluck Wasser aus dem Glas, das ihm Ralph auf ein Beistelltischen bereitgestellt hatte. Abwesend begann er, das Heft glattzustreichen.
    Â«Weiter als nach Kalifornien können Sie bekanntlich nicht gehen, dann kommt der Pazifik, dann kommen die Wellen, die Sie in den Fernen Osten tragen. Sie sehen den Surfern zu, die wie einsame Semikolons auf Wellen warten, kleine Trennzeichen in der Ewigkeit. Es hat etwas Friedliches, abends an den Strand von Malibu zu gehen. Die Leere, die Ruhe, der weite Horizont. Entweder werden Sie hier melancholisch, oder Sie entwickeln etwas, für das es sich zu leben lohnt. Hier müssen Sie eine Entscheidung treffen, oder Sie verenden, anders als in New York, es ist bequemer, zenmäßiger, sonniger. Sie hören die Grillen und wissen, in Ihrem Rücken, hinter den Hügeln und den Canyons, ist die Stadt wie ein riesiger einladender Flickenteppich aus Licht, wenn Sie für

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