Traeumer und Suender

Nation
machte, da hatte er bald Gelegenheit sich als Experte für Uniformen und preußisches Rittmeistergehabe zu etablieren. Das war sein Trademark, den Deutschen zu spielen, als Amerika 1917 in den Krieg eintrat. ‹The man you love to hate.› Ein Mann, der das spielen konnte, der die Tricks des Systems bald kannte und sie für sich verwendete, eine Aufsteigerkarriere, wie sie im Buche stand, fast wie sein Lehrmeister Griffith, aber dann doch ganz anders. Ja, ja, das ging mir doch nicht anders. Was ist denn mein Label?
The German, Mister Campaign!
    Inzwischen, nach Griffith Kinoexplosion, hatten sich große Studios gebildet, Paramount, MGM, United Artists. Die wollten die Kontrolle behalten, den Verleih an sich reißen, die Gewinne kanalisieren. Bei United Artists traten die Stars in Allianzen, damit mehr Geld bei den Machern hängenblieb und weniger bei den Geldleuten. Douglas Fairbanks, der Robin-Hood-Pirat und Frauenheld, Charlie Chaplin, der Tramp, der auf kleine Mädchen stand, D. W. Griffith, den sie grad um Millionen beschissen hatten, Mary Pickford, der zweite weibliche Superstar neben der ‹Geesh›, wie Griffith seine Entdeckung Lilian nannte, und William S. Hart, der erste Westernheld, den heute keiner mehr kennt, schlossen sich zusammen, um die Vermarktung und die Produktion selbst zu übernehmen. Jaja, Gier und Kunst, das erstaunt die Leute bis heute, aber das gehört genauso zusammen wie Gier und Kommerz, da waren die Künstler nie besser als andere Leute. Warum sollten sie auch?
    Geld und Ruhm, die sind aneinandergekettet. Wie diese zwei armselig durch die Wüste torkelnden Schatzsucher in Stroheims Film.
    Und so war
Greed
auch der Kommentar eines rebellischen Künstlers auf die neue Goldgräberzeit. Gold aus Schatten und Licht. Nestbeschmutzung. Ein heftiger Schlag ins Gesicht. Aber Stroheim hatte sich verschätzt. Sein Überbietungsversuch von
Birth of a Nation
war neun Stunden lang! Neun Stunden, und zehn Jahre später. Thalberg, der neue starke Mann bei MGM, sagte: wunderbar! Machen wir zwei Stunden draus. Benutzen die Griffith-Formel. Wissen Sie, wer die einzige vollständige Kopie von
Greed
besaß? Stroheim soll das immer wieder nasal und süffisant auf Partys erzählt haben: Benito Mussolini!
    Na, er war eh bekennender Sadomasochist. Stroheim, nicht Mussolini, wobei – bei diesen Uniformträgern weiß man ja nie.
    Ich habe noch Leute kennengelernt, die
Greed
angeblich ganz gesehen haben. Aber wenn Sie mich fragen, die Neun-Stunden-Version muss nicht unbedingt besser gewesen sein.»
    Â«Sie können auch nicht grade behaupten, dass Griffith Rassengestammel einen heute noch umhaut», sagte der Interviewer plötzlich und war überrascht, wie scharf seine Stimme klang. Aber er wollte sich diesen Quatsch nicht länger antun. Er war hierhergefahren, er war eingeladen worden. Gut, er hatte eine weitere Chance erhalten, eine, mit der er nicht mehr gerechnet hatte, er würde also höflich sein müssen, aber höflich war er bei den anderen Treffen auch schon gewesen, und was hatte es ihm genutzt? Er hatte doch versucht, dem alten Mann klarzumachen, dass er etwas Bestimmtes von ihm brauchte, eine Geschichte, eine Nachricht mit Neuigkeitswert. Irgendeinen Aufhänger, wie man ihn und seinen Artikel groß rausbringen konnte, und er hatte gedacht, dass der Produzent Profi genug sein müsse, um diese unterschwellige Nachricht auch zu verstehen. Und jetzt ging es seit einer halben Stunde um Griffith und die Gier im Filmgeschäft! Die hatte er doch längst schon gesehen –
    Â«Sie können gegen Griffith sagen, was Sie wollen,
Birth of a Nation
war der Film, der das Kino wirklich als Erzählform erfand. Alle bis heute gültigen Formeln sind in dem Film das erste Mal miteinander verbunden, eine Art Stein der Weisen für Cineasten. Natürlich können Sie einwenden, dass wir daran unhinterfragt bis heute festhalten, an den Cliffhängern, der heranrückenden Kavallerie in Clan-Outfits, der bedrohten Schönen, den gefletschten Zähnen des Mobs, des schwarzen Mobs!, an diesen ganzen aneinandergereihten Big-Bang-Momenten, dem Achterbahngefühl des Was-passiert-als-Nächstes? Lust, Nervenkitzel. Vergewaltigung. Was passiert als Nächstes? Spannung, Spannung,
mystery
,
suspense
. Ja, so ist es! Na und? Das wollen die Leute sehen, Hand aufs Herz, das wollen wir sehen. Jaja, ein paar ästhetische