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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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Aufgabe der Kritiker ist es, herauszufinden wie und warum. Den Künstler interessiert nur die Tatsache, dass es geht. Das stammt nicht von mir, das sagen sie alle. Ich … Helfen Sie mir mal mit dem Windsor? Ich habe heute Morgen einfach nicht genug Kraft in den Fingern, danke! Ist das Gigli, das Sie benutzen? Steht ihnen! Ich mag diesen fröhlichen Zitrusgeruch von gewöhnlichen Parfüms einfach nicht, viel zu aufdringlich, aber so ein bisschen etwas Verspieltes … Wunderbar sieht das aus, danke. So, jetzt können wir auch gleich. Ralph? Bist du wieder da? Waren die Carabinieri in der Bar? Und die krumme Hure? Fantastisch, ja, wie bei Edward Hopper. Danke, Ralph, ja, wunderbar die Croissants, ich stecke uns zwei ein, du kannst uns ja zur Sicherheit folgen.
    Helfen Sie mir mit der Treppe? In der
Duchessa
ist alles ein wenig altmodisch, aber ich habe immer die Zimmer hinten zum Garten raus, das alte Ferrara, das ist die Stadt der Gärten. Erst wenn Sie mit dem Flugzeug über der Stadt kreisen würden, könnten Sie sehen, wie grün sie wirklich ist. Nimmt das Gerät weiter auf? Sie tun es einfach in diese Tasche und haken das kleine Mikrofon an die Lederschnalle? Wie praktisch, eine grandiose Idee, unser Gespräch beim Gehen aufzunehmen. Ich hoffe, es ist nicht zu früh für Sie? Pardon, die Frage kommt wohl etwas spät. Ich bin gern um diese Zeit auf. Passen Sie auf Ihren Schädel auf, die Balken an der Treppe! Verglichen mit diesen Renaissancemenschen sind wir ja alle Riesen, aber gegen Ralph, na, der ist einfach gezwungen, sich hier einmal zusammenzufalten. So,
Buona giornata, Signori
, Ralph kommt uns gleich mitdiesem Rollding hinterher, das macht er immer, wenn ich allein ausgehe, zur Sicherheit. Wahnsinnig weit komme ich noch nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Schauen wir lieber nach vorn.»
    Sie stiegen die Treppe hinunter, betraten den Vorraum und gingen durch die Doppeltür ins Freie.
    Â«Bleiben wir kurz auf der Schwelle stehen, Sie müssen das einsaugen. Wie Nahrung. Schlürfen. Wie eine Suppe. Was für ein herrlicher Morgen! Die Luft flimmert, der Himmel scheint in tausend Streifen zu zerfallen, die sich auflösen, als wären das lauter Girlanden, ein Glittern, wie der letzte Blick auf einen noch leeren Raum, der gerade ausgeschmückt werden wird für eine Feier, die Luft blinkt wie das Meer, es ist fast so, als würde man zusehen, wie Silber gemacht wird. Da könnte man an alte Mythen oder Märchen glauben, ah, aber am besten man macht selber welche. Ich liebe das. Ein richtiges Milchlicht.»
    Der alte Mann drückte dem Interviewer die Papiertüte in die Hand.
    Â«Nehmen Sie mir die Tüte ab? Ralph hat die Croissants gleich hier um die Ecke besorgt, es gibt die besten am
Piazza Ariostoea
, wo sie den Palio abhalten. Angeblich der Älteste in Italien. Pferderennen, Eselrennen, Männerrennen, Frauenrennen, das war ungewöhnlich, das hat man erst gar nicht geglaubt in den prüden Zeitaltern danach, aber wie die Mädchen in leichten Tüchern beim Rennen abgebildet sind, das sehen wir nachher auf den berühmten Monatsfresken im
Palazzo Schifanoia
, da findet die Sitzung statt. Schauen Sie, da drüben ist die Bar, sehen Sie? Am Ende der Kolonnaden.
    Schon ab vier Uhr morgens stehen hier die Chauffeure, wenn sie die letzten Partytrunkenbolde und Verführten endlich in ihre gemieteten Nester zurückgebracht haben und sich einen kleinen schwarzen Aufguss gönnen oder einen richtigen
Cappuccio
und den Magen warm machen, mit dieser weichen, heißen Kindheitsdroge. Wissen Sie, ich liebe das. Frühmorgens durch eine Stadt zu gehen, die man nicht kennt, die Wechsel von der Nacht in den Tag zu beobachten, einfache Leute, wie sie erschlafft und fast wehrlos diese unglaubliche Solidarität der Übermüdeten ausspielen und über nichts reden als diese schöne Tatsache, dass sie gleich schlafen gehen, sich später vor der nächsten Schicht noch auf ein Glas in einer Bar treffen und sonst nichts. Das ist echt, das macht mich glücklich. Nun ja, Ferrara kenne ich natürlich recht gut, aber mein Zustand erlaubt mir das Herumspazieren ja nur noch in Maßen, also habe ich heute lieber auf Sie gewartet und stattdessen Ralph losgeschickt für die Croissants. Wir drehen erst mal eine kleine Runde, okay?»
    Sie gingen erst ein Stück durch den
Parco Massari
, dann bogen sie am
Palazzo dei Diamanti
in die

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